Kolumne Longevity Club oder Kassenknute – was reizt den Ärztenachwuchs?

Wie weit sind wir ge- bzw. verkommen, dass man sich so etwas bieten lassen muss? Der Kollege futtert die Pillen doch nicht selbst. Er impft sich auch nicht selbst gegen RSV. Und ggf. „zu viel“ verordnete Massagen sind nicht für ihn, seine Kinder oder die Gattin, nein, all das ist für die Patientinnen und Patienten gedacht.
Aber viel zu viele ertragen noch immer die Gebaren ihrer Selbstverwaltung, die unter dem worthülsigen Mantel einer Solidargemeinschaftsgerechtigkeit mit mittelalterlichen Maßnahmen daherkommt und ausgerechnet diejenigen beutelt, die als letzte Recken noch echten Dienst an echten Kranken verrichten. Wen wundert es da, wenn sich junge Ärztinnen und Ärzte von so einem System abwenden bzw. gar nicht erst eintreten wollen?
Im virtuellen Raum werden die Befunde besprochen
In Berlin und anderswo keimt gerade eine finanzstarke Longevity-Szene auf, in der immer mehr junge und teilweise sehr gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte sog. Concierge-Services anbieten. Hier zahlen gutbetuchte gesundheitsbewusste Menschen – wie im Golfclub – eine Jahresgebühr von 5.000 bis 10.000 Euro allein dafür, in den Concierge-Club aufgenommen zu werden. Und für jede ärztliche Maßnahme ca. 500 Euro pro Stunde – natürlich alles korrekt nach GOÄ mit individueller Honorarvereinbarung abgerechnet. Plus Laborkosten, Resveratrol-Pillen und Rapamycin-Infusionen. Nebenan sprießen High-End-Check-up-Kliniken wie Pilze aus dem Boden. In denen kostet ein Rundumcheck inklusive Kardio-MR, epigenetischen Sonstwas-Biomarker-Bestimmungen und Befundbesprechungen im Virtual-Reality-Raum locker 15.000 bis 20.000 Euro.
Wir werden künftig niemanden mehr finden, der pro Tag 40 bis 80 Patientinnen und Patienten für Drei-Monats-Pauschalen von 17 Euro (Gyn, Ortho, HNO) oder 60 bis 90 Euro (Hausarzt, HzV) ärztlich durchnudelt – und der dann Jahre später noch Geld abgezogen bekommt, weil er oder sie „unwirtschaftlich“ Medikamente oder Massagen aufgeschrieben hat.
Es geht immer nur ums Geld. Wobei es offenbar davon genug gibt, wie man am Hunderte-Milliarden-Paket der neuen Bundesregierung sehen kann. Gekniffen werden am Ende jene alten und kranken gesetzlich und bald auch die privat Versicherten sein, die neben einer schaffbaren Eigenbeteiligung pro Arztbesuch (ohne die es in Zukunft nicht gehen wird) nicht genug aus eigener Tasche zuzahlen können. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.