Ärztestatistik Mehr Köpfe, aber kaum mehr Zeit
Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie sehr das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland von einem gut funktionierenden Gesundheitssystem abhängt. Vor allem die ambulante medizinische Versorgung hat einen Großteil der Last aufgefangen und damit die Kliniken vor einer drohenden Überlastung bewahrt. So werden hier sechs von sieben Patienten ambulant behandelt.
Ärzte sind systemrelevant
Ärztinnen und Ärzte haben sich also in der Krise als systemrelevant erwiesen, aber das sind sie auch zu normalen Zeiten. Doch da droht weiterhin Gefahr. Nicht nur in den Kliniken ist die Personalsituation angespannt bei weiter steigendem Behandlungsbedarf. Auch die fast eine Milliarde Arztkontakte in den Praxen der Niedergelassenen wollen zufriedenstellend abgearbeitet werden.
Da klingt es zwar erfreulich, dass die Gesamtzahl der Ärzte und Psychotherapeuten in der vertragsärztlichen Versorgung im vergangenen Jahr um 2.532 auf nunmehr 177.826 angestiegen ist. Doch tatsächlich geht das leichte Wachstum vor allem auf das Konto der Psychotherapeuten. Ambulant tätig waren, laut Bundesärztekammer (BÄK), im vergangenen Jahr 159.846 Ärzte. Und bei den Niedergelassenen sank die Zahl sogar um rund 1 % auf nunmehr 116.330.
Trend zur Anstellung setzt sich fort
Medizinischer Nachwuchs würde hier also weiterhin dringend gebraucht. Doch der folgt weiter dem seit Jahren zu beobachtenden Trend und entscheidet sich immer öfter für eine Anstellung im ambulanten Bereich. So hat sich die Zahl der angestellten Ärzte hier nunmehr auf 44.000 erhöht, sechsmal mehr als noch 1997. Damit ist der Anteil der angestellten Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung von 8 % im Jahr 2009 auf nun über 22 % gestiegen.
Gleichzeitig wird auch unter Ärztinnen und Ärzten die Teilzeit immer beliebter. Um 100 Vollzeitstellen zu besetzen, wurden im Jahr 2015 noch 108 Ärztinnen und Ärzte benötigt, zwei Jahre später waren es bereits 115, rechnet die BÄK vor. Das entspricht einem Mehrbedarf von rund 6 %. Etwas mehr als die Hälfte der angestellten Vertragsärzte hatten im vergangenen Jahr weniger als 30 Stunden pro Woche in den Praxen oder MVZ gearbeitet. 30 % arbeiteten 10 bis 20 Stunden pro Woche, und etwa 16 % kamen sogar nur auf maximal 10 Wochenstunden in der Praxis. Das reine Zählen der Köpfe führe also in die Irre, tatsächlich falle das Plus bei der real zur Verfügung stehenden vertragsärztlichen Arbeitszeit mit nur 0,2 % ziemlich mau aus, beklagt die KBV.
Hausärztezahlen stagnieren
Betrachtet man die Zahlen speziell in der hausärztlichen Versorgung, sieht es da ähnlich trist aus. Laut KBV ist die Zahl der Hausärzte von 55.017 auf gerade einmal 55.073 zum Ende 2019 angestiegen. Von Wachstum möchte man da kaum sprechen.
Dabei zeigt ein Blick auf die Altersstruktur der Ärzteschaft, wie dringend medizinischer Nachwuchs gebraucht wird. Insgesamt liegt das Durchschnittsalter aller niedergelassenen Ärzte inzwischen bei 54,3 Jahren. Aber 8 % von allen berufstätigen Ärztinnen und Ärzten haben das 65. Lebensjahr bereits überschritten, weitere 12 % sind zwischen 60 und 65 Jahre alt. Das heißt: 20 % der Ärzte werden in absehbarer Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden.
Setzt sich die Entwicklung zur Angestelltentätigkeit in Teilzeit weiter so fort, wird es besonders für Hausärzte immer dringlicher und schwieriger, Praxisnachfolger zu finden, wenn sie in den Ruhestand gehen – das hat auch die Bundesärztekammer erkannt.
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (12) Seite 20-21
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.