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Praxiskolumne Meine MFA und ich sind der neue App-Store

Autor: Dr. Cornelia Werner

Die gesamte Aufklärung zur Handhabung des E-Rezepts wurde auf die Praxen abgewälzt. Die gesamte Aufklärung zur Handhabung des E-Rezepts wurde auf die Praxen abgewälzt. © Zerbor – stock.adobe.com
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Das Jahr 2024 hat begonnen und meine MFA sind glücklich über eine neue Aufgabe, die sie ohne zusätzliche Bezahlung übernehmen dürfen. Beziehungsweise, die sie auf meine Kosten übernehmen, denn wer bezahlt mein Personal eigentlich für die Zeit, in der es zum IT-Berater mutiert? 

Ok, nein. Sie sind nicht glücklich. Ich auch nicht. Denn wir sind nun verpflichtet, eine Maßnahme umzusetzen, die erstens nicht komplett durchdacht und zweitens noch sehr fehleranfällig ist. Und über die bislang niemand die Patient*innen, also die Betroffenen, aufklären wollte. 

In den ersten Tagen kamen meine MFA alle paar Minuten vorwurfsvoll zu mir: „Weißt Du, dass wir jetzt gar nicht mehr einfach die Apotheke anrufen können, dass sie Medikament X an Patient Y liefern?“… „Was macht eigentlich das Pflegeheim nun?“… „Apotheke Z kann das mit den E-Rezepten noch nicht!“ 

Ich konnte nur erwidern, dass ich mir das auch nicht ausgedacht habe. Es ist prinzipiell auch nicht unser Problem! Aber sagt das mal einer MFA mit Leib und Seele – als wolle man ihr Kind lebendig verspeisen: „Patientin A gehen dann die Tabletten aus! Sie hat kein Handy. Sie hat keinen, der hier was abholen kann.“ Eine MFA, besonders auf dem Land, ist eigentlich so etwas wie eine Mama für alle. Leider eine aussterbende Art. Vermutlich hängt das zusammen, denn zunehmend werden diese helfenden Seelen richtiggehend ausgenutzt. Nicht zuletzt vom System.

Denn dank TI- oder Fachdienst-Server-Ausfall  sind meine MFA und ich jetzt der neue App-Store. Richtig. Wir beraten aktuell jeden Patienten, der zum ersten oder auch zweiten Mal im Jahr kommt und klären ihn auf über das E-Rezept. Umso langwieriger, je digital-naiver der Patient ist. Um Silvester herum habe ich knapp 2.000 E-Mails versandt, an die Patient*innen, deren Mailadressen bekannt waren, und versucht, weitestgehend über das E-Rezept aufzuklären. Aber die Patient*innen, die damit am meisten Probleme haben, erreichte ich so nicht.

Eine typische Sprechstunde besteht jetzt nicht mehr „nur“ aus Medizinischem, Sozialrechtlichem, Bürokratie, Nachbarschaftshilfe, Dokumentation und Abrechnung, sondern auch aus Erklärungen zu App-Problemen. Hier einen QR-Code einscannen, da noch was auf Papier drucken, die App installieren, den Ablauf erklären. Schlicht, es kommt mir vor, als wären wir ein Mobilfunk­laden. Sind wir nun entlastet?

Eher nein. Klar, es ist super, wenn irgendwann mal alles läuft. Inzwischen kann ich, nachdem ich die Komfortsignatur einmal am Tag in der Praxis aktiviert habe, auch von zu Hause Rezepte versenden. Top.

Aber die gesamte Aufklärung über das Wie und Was bezüglich der Umstellung hat man auf uns abgewälzt. Stillschweigend. Wir sollen das alles nun richten. Eine Zusatzarbeit, für die wir nicht bezahlt werden, mal wieder. Wir haben bereits mit dem Gedanken gespielt, Student*innen anzustellen. Alleine um diese „Arbeitserleichterung“ zu erklären. Aber in Zeiten der Inflation, in denen die Praxiskosten massiv angestiegen sind, ist nicht viel über für solche Hilfsstellen. Denn das Thema beschäftigt uns schließlich von morgens bis abends. 

Und das nächste Drama droht: die ePA. Aber dafür bekommen wir ganze 10 Euro fürs Befüllen. Einmalig … Wem kommt das nach Arbeitsverschiebung von den Kassen auf die Ärzte vor? Mir. Macht es den Job in einer Arztpraxis attraktiver? Nein. Aber wer braucht schon Arztpraxen. Hauptsache, wir haben um die 100 gesetzliche Krankenkassen.

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