Antikorruption Mit einem Bein im Kittchen?

Gesundheitspolitik Autor: Ingolf Dürr

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Der Entwurf des „Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“, der im Februar 2015 vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz vorgelegt worden war, ist zwar noch nicht vom Bundestag abgesegnet worden, doch Rechtsexperten warnen inzwischen, dass der Strafrechtsparagraf gegen Bestechung und Bestechlichkeit in der jetzigen Form mit erheblichen Ungereimtheiten belastet ist und dringend überarbeitet werden müsse.

Zum Hintergrund: Der Referentenentwurf des Ministeriums versteht sich als Reaktion auf die sogenannte Vertragsarztentscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs von Anfang 2012, wonach der Tatbestand der Korruption, wie er im jetzigen Strafgesetzbuch verankert ist, auf niedergelassene Ärzte nicht angewendet werden könne. Denn niedergelassene Ärzte seien aufgrund ihrer Freiberuflichkeit weder Amtsträger noch würden sie als Beauftragte der Krankenkassen handeln.

Strafbarkeitsrisiko wäre kaum zu kalkulieren

Die identifizierte Regelungslücke soll nun durch einen umfassenden Straftatbestand der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Ausübung eines Heilsberufs zum Schutz des Wettbewerbs im Gesundheitswesen geschlossen werden. Vom neuen Straftatbestand sollen nicht nur die Vertragsärzte, sondern insgesamt alle Heilberufler erfasst werden, deren Ausbildung staatlich geregelt ist.

Grundsätzlich teilen die von der Allianz Deutscher Ärzteverbände beauftragten Rechtsexperten das anerkennenswerte Ziel dieses Tatbestandes, den Wettbewerb im Gesundheitswesen und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu schützen.

Allerdings würden die Weite und Unschärfe des Tatbestandes im Referentenentwurf für alle im Gesundheitswesen maßgeblichen Akteure zu einem erheblichen, nicht kalkulierbaren Strafbarkeits- und Kriminalisierungsrisiko führen, das in seinem Umfang und seinen Grenzen nicht bestimmbar und deshalb verfassungsrechtlich nicht tragbar ist.

Mehr Rechtssicherheit ist nötig

Konkret benennen die Juristen folgende Probleme: So sei kaum abgrenzbar oder greifbar, wann Zahlungen im Zusammenhang wirtschaftlicher Vereinbarungen oder Kooperationen als eine „unlautere“ Beeinflussung des Wettbewerbs – und damit als tatbestandsmäßig – zu sehen sind. Rechtssicherheit sehe anders aus. Die Gutachter empfehlen deshalb, dass der Gesetzgeber im Interesse einer hinreichend klaren und bestimmten Strafnorm zumindest im Rahmen der Gesetzesbegründung detaillierte Erläuterungen bietet, wann die Akteure im Gesundheitswesen keine Strafverfolgung zu fürchten haben. Insbesondere hinsichtlich der Kooperation von Ärzten mit der Industrie, der Drittmittelforschung sowie bei der Umsetzung ärztlicher Kooperationsformen, etwa zwischen der ambulanten und stationären Versorgung, müssten die Handelnden durch Rechtsklarheit geschützt werden. Ansonsten drohe ihnen, an den Rand der Strafbarkeit gedrängt zu werden und das Vertrauen der Patienten zu verlieren.

Besondere Kritik erntet die sogenannte Berufsrechtsalternative des Referentenentwurfes. Danach sollen bereits Verstöße gegen Berufsausübungspflichten mögliches korruptives Verhalten begründen, sodass sogar Verstöße gegen Berufsordnungen der Ärztekammern strafbegründende Wirkung haben können. Dies ist nach Auffassung der Gutachter aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig: Zum einen verstoße dies gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen die Rechtssicherheit, da Heilberufe in den Ländern unterschiedliche Berufsausübungspflichten haben. Zum anderen verlangt der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes, dass ausschließlich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber über eine etwaige Strafbarkeit zu entscheiden hat – und nicht berufsständische Kammern.

Auf die Aufnahme solch einer Berufsrechtsalternative in eine zu schaffende Strafnorm sollte letztlich insgesamt verzichtet werden, sodass die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht auf den grundsätzlich anerkennenswerten Tatbestand insgesamt durchschlagen können.

Pharmafirmen wollen transparenter werden

Ab 2016 werden pharmazeutische Unternehmen alle Zuwendungen an Ärzte, Krankenhäuser und gesundheitspolitische Institutionen veröffentlichen. Damit greifen sie dem geplanten „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ vor. Die neue Transparenz verlangt die namentliche Nennung jedes Arztes sowie die Höhe der erhaltenen Zuwendung. So will es der Transparenzkodex des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA), dem die Mehrheit der Hersteller verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland angehört. Um dem deutschen Datenschutzgesetz Genüge zu tun, muss der Arzt der namentlichen Nennung schriftlich ausdrücklich zugestimmt haben. Von der pharmazeutischen Industrie wird die Transparenz-Offensive als Befreiungsschlag gegen das allgegenwärtige Misstrauen und den Verdacht der Korruption betrachtet. Innerhalb der Ärzteschaft stößt die Idee hingegen nur teilweise auf Zustimmung, zumindest wenn man einer Umfrage des Ärztenetzwerks Coliquo Glauben schenkt. Danach antworteten auf die Frage "Offenlegung von Pharma-Zuwendungen: Machen Sie mit?" 55 % mit Nein und nur 45 % mit Ja. Allerdings war die Teilnehmerzahl mit 31 äußerst gering, um eine repräsentative Aussage zu gestatten. Dass Transparenz im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Industrie – etwa im Rahmen von Studien – grundsätzlich wichtig ist, betonen viele Ärzte. Der Plan, Pharmazuwendungen offenzulegen, kommt für viele jedoch einem Generalverdacht der Korruption gleich, den sie entschieden von sich weisen.

Keine Strafanträge durch Krankenkassen

Kritisch sehen die Gutachter auch die weitreichenden Strafantragsrechte. So soll neben berufsständischen Kammern und rechtsfähigen Berufsverbänden auch den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie privaten Versicherungsunternehmen das Recht zur Stellung eines Strafantrages eingeräumt werden. Dies begründe ein sehr hohes Konfliktpotenzial, befürchten die Rechtsexperten. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Kostenträger zur „Lösung“ wirtschaftlicher Konfliktfragen strafrechtlicher Mittel bedienen und Strafanträge gegen Leistungserbringer stellen – und sei es nur, um aus Sicht des Strafantragstellers begehrenswerte, aber ansonsten diesem verborgene Informationen aus Ermittlungsakten zutage zu fördern.

Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (13) Seite 24-26
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.