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Mit freundlichen Grüßen an den Morbi-RSA

Autor: Dr. Günter Gerhardt

„Wir hätten es ohne Gegenwehr mit uns machen lassen" „Wir hätten es ohne Gegenwehr mit uns machen lassen" © iStock.com/Yevhenii Dubinko
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: Mehr Einfluss der Krankenhäuser in der ambulanten Versorgung: „Soll das etwa der Spaltpilz Krankenhausarzt/ niedergelassener Arzt sein?"

Die AOK arbeitet mit gezielten Fehlinformationen, nimmt Einfluss auf Diagnosen und manipuliert mit fiktiven Versicherten. Schwere Vorwürfe, vorgetragen u.a. von Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands und ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit. Um den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe soll es mir hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht gehen. Sondern um das nicht stattgefundene Echo auf diesen Bericht, dem sich entnehmen lässt, wie das GKV-Lager kurz vor der Anhörung zum Versicherten-Entlastungsgesetz im Bundestag aufeinander losgeht.

„Uns hätte man schon längst ein neues Gesetz übergestülpt!"

Uns Ärzten hätte man nämlich bei vergleichbaren Vorwürfen schon längst ein neues (Straf-)Gesetz übergestülpt. Und – und hier ist der Punkt – wir hätten es ohne Gegenwehr mit uns machen lassen. Das weiß die Politik. Sie brüstet sich sogar öffentlich damit, so leichtes Spiel wie noch nie mit uns zu haben.

Eine andere Szene: Thomas Ballast, Vorstandsvize der Techniker Krankenkasse, fordert auf der Medica mehr Einfluss der Krankenhäuser in der ambulanten Versorgung. Jeder Insider weiß, dass das nichts anderes ist als eine populistische Worthülse. Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus stellen sich verwundert die Frage, wie das denn gehen soll.

Düngemittel für den Spaltpilz zwischen Ärzten

Ich glaube nicht, dass Herr Ballast es ernst gemeint hat, wies er doch selbst auf einen dem entgegenstehenden Knackpunkt hin, nämlich dass im Krankenhaus mehr Weiterbildungsassistenten als Fachärzte arbeiten. Trotzdem muss man sich fragen, warum er so einen Blödsinn raushaut. Soll das etwa ein Düngemittel sein für den Spaltpilz „Krankenhausarzt/niedergelassener Arzt“, um zu verhindern, dass wir uns endlich mal gemeinsam wehren? Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Aber es gibt aktuell auch erfreuliche Signale aus den Reihen der Mediziner:

  • Rund 200 niedersächsische Kolleginnen und Kollegen haben im Rahmen einer Informationsveranstaltung über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) diskutiert. Eine Ärztin war schockiert darüber, dass „wir nicht Säle füllen“, was niemanden entmutigen solle. Sie schlug vor, eine Petition zu verabschieden, „und jeder geht los und sammelt 20 Unterschriften von Kollegen, die heute nicht hier sind“. In der Petition stand der Satz: Das TSVG beleidigt die Würde unseres Berufsstandes und missachtet auf ehrverletzende Weise unsere Lebensleistung.
  • Der Vorstand der KV Schleswig-Holstein lehnt das TSVG ab, bezeichnet es als staatliches Hineinregieren in Praxen und Selbstverwaltung und hat einen offenen Brief an Minister Spahn geschrieben, dem sich Ärzte aus Schleswig-Holstein online anschließen können. n Ärzte der Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen demon­strierten in Dortmund, um ihrer Forderung nach einer branchenüblichen Bezahlung Nachdruck zu verleihen. Es sei zu befürchten, dass sich der Ärztemangel in den Ämtern verschärfe und die Versorgung der Bevölkerung leide.
  • Medizinstudierende haben Radiosendern einen selbstproduzierten Beitrag angeboten, der einmal Teilstudienplätze an den Pranger stellt und dann auch den Ärztemangel als hausgemacht entlarven soll, schließlich gebe es genügend junge Menschen, die Medizin studieren wollen. Der Radiobeitrag wurde 56-mal ausgestrahlt mit einer Tagesreichweite von mehr als 5,2 Mio Hörern. Das hat die jungen Leute ermu­tigt, sodass sie jetzt für Dezember 2018 eine Demo planen.

Obwohl wir Ärzte und angehenden Ärzte derzeit die besten Argumente und Lösungsansätze haben – z.B.: „Lasst endlich mehr Abiturienten Medizin studieren“ und „Weg mit Budgetierung und Knebelgesetzen, dann entschließt sich der Nachwuchs auch für die Niederlassung“ – sind wir Niedergelassenen nicht mehr bereit, uns zu wehren.

Möglichkeiten gibt es viele. Eine aus dem Munde eines namhaften Hausarztes hat mich verblüfft und begeistert: Wir wehren uns mit der ICD-Kodierung. Betroffene Arztgruppen kodieren beispielsweise Herzpatienten nur noch mit der I51.9 (Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet). Mit vielen Grüßen an den Morbi-RSA.

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