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Mit Musik geht alles leichter

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Ob alleine im Bad oder auf der großen Bühne: Mit Gesang lässt sich jede Gefühlslage ausdrücken. Ob alleine im Bad oder auf der großen Bühne: Mit Gesang lässt sich jede Gefühlslage ausdrücken. © deagreez – stock.adobe.com; MT
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: Singen macht Spaß – egal wie gut oder schlecht die Stimme objektiv gesehen auch sein mag. Die therapeutische Wirkung sollte nicht unterschätzt werden, findet unsere Kolumnistin.

Älterwerden ist oft beschwerlich. Das erleben wir jeden Tag in unseren Praxen und versuchen als Hausärzte und -ärztinnen, unsere Patienten möglichst gut zu behandeln und zu begleiten. Aber manchmal hat Älterwerden auch seine Vorteile. So kann die älter gewordene Hausärztin nun Fortbildungen besuchen, die sie interessieren, die aber nicht unmittelbar etwas mit der Praxis­tätigkeit zu tun haben. Und die auch nicht unbedingt das CME-Konto weiter füllen.

Und so belegte ich ein Seminar mit dem spannenden Namen „Singende Krankenhäuser“. Ich persönlich singe gerne, allein oder mit anderen, solo oder im Chor, in der Badewanne und im Auto. Singen ist für mich Ausdruck der Lebensfreude, der Lebendigkeit, der inneren Gestimmtheit. Mit Singen kann ich meiner guten Laune Ausdruck verleihen, mich umgekehrt aber auch aus einer gedrückten Stimmung befreien. Also kurz und gut: es ist mein Thema.

Ich fand mich also an dem entsprechenden Termin an einem mir wohlbekannten Ort, an dem ich schon viele medizinisch-psychotherapeutische Fortbildungen besucht hatte, in einer ganz anderen Welt wieder. Unter Singkreisleitern, Profi- und Laienmusikern, Rhythmiklehrern, Sozialarbeitern, Liedermachern und Musiktherapeuten. Als Ärztin fühlte ich mich eher exotisch unter diesen ca. 300–400 Menschen.

Aber es war eine sehr spannende Fortbildung! Es gab Vorträge über die neurophysiologische Aufnahme und Wirkung von Musik allgemein und Singen im Besonderen. Dass die Reizleitung vom Ohr unter eleganter Umgehung des Großhirns gleich in unser Gefühlsgehirn und in die vegetativen Kerne dringt, war mir so explizit noch nicht bewusst gewesen.

Auch die vorgestellten Arbeiten mit Krebskranken, in der Palliativmedizin und mit neurologisch Kranken war sehr beeindruckend. Möglicherweise ändert das gemeinsame Singen nichts an der Krankheit und der Prognose, aber die Menschen waren glücklich, hatten offensichtlich deutlich weniger Schmerzen und konnten sich ungehinderter bewegen. Letzteres zeigte ein an M. Parkinson erkrankter Mann sehr deutlich im sehr bewegungsintensiven Theaterworkshop.

Ganz besonders Spaß machten mir die praktischen Teile des Seminars: Ich konnte meine musikalische und körperliche Empathie im Theaterworkshop erproben, ich konnte im Rhythmik-Workshop die Grenzen meiner Rhythmikbegabung, meiner Konzentrationsfähigkeit und deren Dauer ausloten. Und das alles ohne verbissenen Ehrgeiz, spielerisch und heiter.

Selten so viel Spaß bei der Selbsterkenntnis und beim Scheitern erlebt! Am meisten aber konnte ich das gemeinsame Singen von einfachen Liedern genießen, bei denen ich mal die Oberstimme, mal die Unterstimme improvisieren und ausprobieren konnte. Vergnügt vor mich hinsummend fuhr ich also nach dem Ende des Seminars nach Hause.

In der Woche darauf stellte sich eine schwer depressive Patientin nach einem mehrwöchigen Klinikaufenthalt mit offensichtlich mäßigem Erfolg bei mir in der Sprechstunde vor. Ich fragte sie, ob sie gelegentlich singe. Ja, meinte sie, sie singe gelegentlich ihrem kleinen Enkelkind etwas vor. Meist Schlaflieder, um es zu beruhigen und/oder das Einschlafen zu fördern. Aber so alleine singen ...

Ich schlug ihr vor, es doch trotzdem mal allein zu Hause, auch ohne Enkelkind, zu probieren. Und wenn sie keine Melodie singen wolle, einfach nur ein paar Töne vor sich hinzusummen. Sie schaute mich ungläubig bis skeptisch an, wollte es aber probieren. Jetzt bin ich auf die Rückmeldung gespannt.

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