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Sollen die Kassen Gentests in der Schwangerschaft bezahlen?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Es wird nach  Auffälligkeiten gesucht, für die es keine Behandlungsoptionen gibt. Es wird nach Auffälligkeiten gesucht, für die es keine Behandlungsoptionen gibt. © iStock.com/BlackJack3D
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Sebastian Urbanski ist Schauspieler und Synchronsprecher. Trotz Down-Syndroms steht er mitten im Leben, wie er sagt. „Pränataltests, die Menschen schon vor der Geburt aussortieren“, lehnt er ab. Doch es gibt auch Befürworter. Politiker aus dem Bundestag stoßen eine gesellschaftliche Diskussion an.

Das Interesse an einer „Orientierungsdebatte“ zu – ggf. von der Krankenkasse zu bezahlenden – Bluttests in der Schwangerschaft ist fraktionsübergreifend. Im Frühjahr soll der Bundestag die nicht-invasive pränatale Diagnostik hervorgehoben besprechen. Es gehe um eine breite Verständigung, „an der sich viele Initiativen und Gruppen beteiligen“, sagt die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt. „Die Fortschritte in der genetischen Diagnose zwingen uns als Gesellschaft dazu, die Frage zu beantworten, wie wir mit den dadurch erzeugten Erkenntnissen umgehen wollen“, erklärt der CDU-Politiker und nordrheinische Ärztekammerpräsident Rudolf Henke. Gemeint sind Tests, die Trisomien wie das Down-Syndrom beim ungeborenen Kind in einem frühen Stadium der Schwangerschaft diagnostizieren lassen.

Kassenzulassung könnte eine Türöffnerfunktion haben

Kathrin Vogler (Die Linke) bekräftigt: „Die aktuell zu entscheidende Kassenzulassung des Bluttests auf Trisomie 21 kann eine Türöffnerfunktion erfüllen: Für zwei weitere Trisomien gibt es bereits Bluttests, genauso wie für weitere vier Erbkrankheiten.“ Nicht über Bluttests, aber über weitere Methoden der Molekulargenetik seien in Großbritannien bereits 400 genetisch verursachte Erkrankungen dia­gnostizierbar. „Wir müssen wegen der rasanten Entwicklung diagnostischer Möglichkeiten zu einer gesetzlichen Regulierung kommen, die jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen vermeidet“, so Vogler.

Nicht-invasive Diagnostik oder Amniozentese?

Die nicht-invasive Pränataldiagnostik (NIPD) „kann die Zahl eingriffsbedingter Fehlgeburten verringern“. So lautet das Fazit einer Untersuchung des IQWiG für den Gemeinsamen Bundesausschuss zu den diagnostischen Eigenschaften der Tests. Das Institut verweist darauf, dass Trisomien wie das Down-Syndrom noch vor Jahren vorgeburtlich nur mit invasiven Untersuchungen diagnostiziert werden konnten, wobei diese Untersuchungen, etwa die Amniozentese, das Risiko einer Fehlgeburt in sich bergen. Sie würden deshalb meist nur bei Risikoschwangerschaften eingesetzt, z.B. wenn die Frau relativ alt ist oder in früheren Schwangerschaften bereits Trisomien auftraten. Bei der NIPD wird dagegen das Blut der Schwangeren auf die fetalen Trisomien 13, 18 und 21 untersucht. „Würde schwangeren Frauen mit erhöhtem Risiko für eine fetale Trisomie 21 eine NIPD angeboten, ließe sich vermutlich ein Teil der Fehlgeburten vermeiden, die die invasive Diagnostik auslösen kann“, meinen die Wissenschaftler. Genauere Angaben seien nicht möglich. „Für eine präzisere Modellierung müsste man beispielsweise die Anteile der Frauen unterschiedlichen Alters kennen, die eine invasive oder nicht invasive Untersuchung in Anspruch nehmen oder aber darauf verzichten – zum Beispiel, weil sie das Kind auf jeden Fall bekommen möchten. Diese Zahlen sind aber für Deutschland nicht bekannt.“ Kritiker der NIPD warnen vor einer Entwicklung gegen ein behindertes Kind. „Keine Aufnahme weiterer selektiver Untersuchungen in die Regelversorgung!“ forderten bereits 2016 zahlreiche Verbände in einer Stellungnahme zur Einführung von nicht-invasiver pränataler Tests auf die Trisomien 13, 18 und 21 in die reguläre Schwangerenversorgung. Aus den Ergebnissen der Tests ergäben sich keine Therapiemöglichkeiten, sie stellten lediglich die – eigentlich bereits getroffene - Entscheidung für das werdende Kind infrage.

Corinna Rüffer, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, mahnt, dass Kinder vorbehaltlos willkommen sein sollten. Die Tests erreichten das Gegenteil: „Es wird nach Auffälligkeiten gesucht, für die es keine Behandlungsoptionen gibt. Der Test hat keinen medizinischen Mehrwert.“ Hintergrund der Initiative ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zu entscheiden hat, ob molekulargenetische Tests für Schwangere zur Kassenleistung werden sollen.

Kassen bezahlen Tests bislang nur auf Antrag

Seit 2012 werden die Tests von Ärzten als Selbstzahlerleistung angeboten und nur auf Antrag von den Kassen erstattet. Erfahren Schwangere, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom erwarten, entscheiden sie sich fast immer für einen Abbruch der Schwangerschaft.  Der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Professor Josef Hecken, hatte in einem Schreiben an den Gesundheitsausschuss des Bundestages eindringlich darauf hingewiesen, dass mit der anstehenden Entscheidung „fundamentale ethische Fragen unserer Werteordnung berührt“ werden. Aus Sicht der Trägerorganisationen des G-BA, also KBV, GKV-Spitzenverband und Krankenhausgesellschaft, sei es „zwingend notwendig, eine parlamentarische Diskussion und Willensbildung zu der Fragestellung herbeizuführen, ob und wie weit molekulargenetische Testverfahren in der Schwangerschaft zur Anwendung gelangen können“. Die Standpunkte der Bundestagsabgeordneten, die ein Positionspapier vorgelegt haben, reicht von Ablehnung und Verbot bis zu der Ansicht, dass Bluttests die invasive Amniozentese ersetzen können. Gefordert wird vor allem eine ange­messene ärztliche Beratung.
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