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Stets zu Diensten

Autor: Dr. Jörg Vogel

Der Einsatzplan für den ärztlichen Bereitschaftsdienst wird von der KV gestaltet. Nicht immer mit praktischem Nutzen. (Agenturfoto) Der Einsatzplan für den ärztlichen Bereitschaftsdienst wird von der KV gestaltet. Nicht immer mit praktischem Nutzen. (Agenturfoto) © iStock/sturti; MT
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Unser Kolumnist ist im Großen und Ganzen mit der KV zufrieden. Doch manchmal werden „auf Deibel komm raus“ Einsparungen verordnet – von denen nicht einmal jeder etwas mitbekommt.

Eigentlich bin ich mit der Arbeit unserer KV hier in Brandenburg recht zufrieden. Gut, aus dem letzten Regress durch die Knappschaft, der ich im Hausarztvertrag seit Jahren innig verbunden bin, konnte sie mich nicht heraushauen. Warum musste ich aber auch meinen Dickschädel durchsetzen, eine Patientin unbedingt schmerzfrei zu bekommen! Zumal diese Frau so gut wie nichts vertrug. So blieb mir außer Off-Label nichts übrig.

Dabei implizierte ich prompt einen „sonstigen Schaden“ – der natürlich zu ahnden war. Offenbar wiegt das Recht auf Freiheit von Schmerz weniger als das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Na, sei’s drum. Ich hab’ ja nur noch acht Jahre bis zur Rente.

Was ich allerdings an unserer KV nicht mag, ist dieses ständige Herumbasteln am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Man nennt es dann „Bereitschaftsdienst 2.0“ oder 3.0 bis 4.0. Je nachdem, wie oft schon gebas­telt wurde. Mal abgesehen davon, dass ich dieses modernistisch-technische Gequatsche sowieso nicht mag, ging bisher jede Weiterentwicklung mit einer Verschlechterung für uns an der Basis einher.

Aber das ist man ja inzwischen gewohnt in diesem Gesundheitswesen. Zumindest seit wir einen Technikfreak namens Spahn als Oberhirten vorgesetzt bekommen haben. Jedenfalls lief unser ärztlicher Bereitschaftsdienst jahrzehntelang unproblematisch.

Cottbus ist eine 100.000-Einwohner-Stadt. Es gab einen Dienst Nord und einen für den Süden, und beide ergänzten sich prächtig. Die Kranken bekamen meist innerhalb von 30 Minuten ihren ärztlichen Hausbesuch. Dann aber hoben viele einsame Kollegen aus dem Umland die Hände, da sie im Gegensatz zu uns Städtern jeden zweiten oder dritten Tag dran waren. Zu Recht!

Also trat Änderung 2.0 in Kraft und alle diensthabenden Kollegen fuhren ab sofort die südlichen bzw. nördlichen Landkreise mit. Das verlängerte zwar die Wartezeiten auf bis zu anderthalb Stunden, aber besser als nichts. Und die Überlebensrate sank deswegen wohl nicht. Nur unser Arbeitspensum stieg. Dafür kann man ja den nächsten Tag die Praxis schließen und verdienstlos im Bett herumlümmeln! Ich wollte und konnte das allerdings nicht so einfach. Denn der Einsatzplan kommt immer kurz vor Quartalsende und ist somit die Überraschung schlechthin für den voll bestellten Folgemonat.

Ab Juli 2020 trat Änderung 4.0 in Kraft. Die KV schaffte den zweiten Kollegen in unserer Region ab und dehnte das Einsatzgebiet auf ganz Südbrandenburg aus. Was für ein Wurf! Man spart das Geld für einen Arzt ein und lässt den anderen dafür nachts Strecken bis zu hundert Kilometer durch die Pampa düsen.

Gut, es gibt jetzt auch ein Einsatzfahrzeug mit Fahrer (wofür ich ja eigentlich mit meinen Beiträgen bezahle). Wenn dieser dann noch peinlich genau die Straßenverkehrsordnung beachtet – also fährt wie ein nachtblinder Mittachtziger – entstehen für den akut Erkrankten Wartezeiten von zwei bis drei Stunden. Manche Patienten in den abgelegenen Gehöften im Spreewald kommen dann, wenn sie Pech haben, nicht einmal mehr dazu, sich zu beschweren. Denn Tote reden nicht. Mein Patient im Dienst mit Hochdruckkrise hat die zwei Stunden zum Glück überlebt.

Das zeigt, wohin ortsfernes Funktionärsdasein führt. Es werden auf Deibel komm raus Einsparungen von oben verordnet. Von Kollegen, die möglicherweise selbst schon jahrelang keinen Dienst mehr geschrubbt haben.

Natürlich rief ich bei der KV an. Denn bisher war es üblich, so eine Änderung mit uns vorab in einer Versammlung zu besprechen. Wobei es auch manchmal etwas lauter wurde. Dieses Mal blieb es leise. Coronabedingt war wohl keine Versammlung vor Ort möglich. Stattdessen soll ein „Webinar“ abgehalten worden sein. Ich alter Sack habe davon nichts mitbekommen. Und Kollegen, die es mitbekommen hatten, konnten sich nicht einloggen.

Wird eben Zeit, dass 5G kommt. Oder eine KV 5.0? Was weiß ich!

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