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Praxiskolumne Substitution, Delegation, Kooperation

Autor: Dr. Nicolas Kahl

Wer bezahlt die Fort- und Weiterbildungen, die für die Delegation nötig sind? Wer bezahlt die Fort- und Weiterbildungen, die für die Delegation nötig sind? © Have a nice day – stock.adobe.com
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Um das Wegfallen der älter werdenden Hausärzt:innen auszugleichen, soll immer mehr delegiert werden. Das findet unser Kolumnist gut. Er will aber nicht auf Gremien warten, die in dieser Zukunft bereits in Rente sind, sondern mitgestalten.

Im März dieses Jahres hat sich Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach im „PraxisCheck“ Fragen von KBV-Vertretern gestellt. Medial wurde im Nachgang insbesondere diskutiert, inwiefern der Minister in diesem Gespräch einen Stopp für sämtliche TI-Projekte gefordert habe oder nicht. Als ich mir das Interview dann ansah, fand ich allerdings andere Aussagen von ihm mindestens genauso interessant und beachtenswert.

Insbesondere gehörte das Thema Substitution und Delegation ärztlicher Leistung dazu. Herr Prof. Lauterbach war diesbezüglich ganz klar: Man werde nicht daran vorbeikommen, dass in Zukunft Tätigkeiten von Ärztinnen und Ärzten an andere Berufsgruppen delegiert werden müssten bzw. von anderen Berufsgruppen übernommen werden. Die Gründe dafür lägen im demografischen Wandel und dem zunehmenden Ärztemangel, der kurz- bis mittelfristig nicht durch erhöhte Studierendenzahlen zu beheben sei.

Da es in der Vergangenheit zu hitzigen Diskussionen um die Begrifflichkeiten „Delegation“ und „Substitution“ gekommen sein muss, einigten sich Minister und KBV im konkreten Gespräch auf den Begriff „Kooperation“, um die anstehenden Veränderungen in der medizinischen Versorgung zu umschreiben. Aber wie auch immer man es nennt: Uns steht ein gewaltiger Umbruch bevor.
Dabei wird meiner Ärzt:innen-Generation, die ja „weiblicher“ ist als je zuvor, nachgesagt, dass wir Ko­operation, Delegation und Substitution deutlich positiver gegenüberstehen als die früheren Generationen. Aber: Wie viel Handlungsspielraum haben wir, um das Ganze mitzubestimmen?

In meiner Praxis habe ich direkt nach der Übernahme und Findung des MFA-Teams eine MFA in die Ausbildung zur NäPa/VERAH geschickt. Eine weitere MFA wird bald die Ausbildung zur BEAH (Betriebswirtschaftliche Assistentin in der Hausarztpraxis) beginnen. Ich erhoffe – bzw. spüre sogar bereits – durch die Delegation von Verwaltungs- und delegierbaren medizinischen Tätigkeiten eine Entlastung für mich in meinem Praxisalltag.

Die Praxis wächst aber weiter und ich frage mich nun: Könnte ich einen Physician Assistant gebrauchen? Was kann und darf der medizinisch leisten und wie rechne ich das ab? Oder sollte ich meine VERAH „akademisieren“ und für den Studiengang „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ begeistern, den sie mit einem Bachelor of Science abschließen könnte? Das Studium kann nebenberuflich absolviert werden, schlägt aber mit ca. 9.000 Euro zu Buche. Und führt natürlich auch zu erhöhten Gehaltserwartungen beim Personal.

Diese Fragen führen umgehend zu dem Punkt, den der Minister vollkommen offen lässt: Wie bekommen wir denn die Aus- und Weiterbildung unserer Fachkräfte vergütet, wenn wir uns um die fachlichen Voraussetzungen bemühen, die die gewünschte Delegation ermöglichen?

Im EBM und in der GOÄ sind es insbesondere die Arzt-Patienten-Kontakte, die einen Praxisbetrieb wirtschaftlich funktionieren lassen. Wird es z.B. eine jährliche Praxis-Betreuungspauschale geben, welche die bisherigen Pauschalen ersetzt?

Und wie sollen wir uns die zeitliche Perspektive dieser Transformation vorstellen, wenn es laut Prof. Lauterbach zunächst Gremien der unterschiedlichen Berufsgruppen geben soll, die dann wieder Pilot-Regionen auswählen, in denen erst einmal getestet werden soll, was geht?

Bis da ein Ergebnis erwartet werden kann, impfen die Apotheker nicht nur gegen die Grippe, sondern machen auch Quick-Einstellungen, nehmen beim Ausliefern der Medikamente gleich den HbA1c mit ab, optimieren die Blutdruckeinstellung und gießen bei Oma noch die Blumen und füttern die Katze. Nein, natürlich nicht.

Aber: Wenn ich als junger Arzt mitgestalten will, dann habe ich ers­tens keine Lust auf irgendwelche Gremien zu warten, die mit Leuten besetzt werden, die für eine Zukunft planen, in der sie selbst in Rente sind. Zweitens benötige ich eine betriebswirtschaftlich fundierte Perspektive. Drittens wünsche ich mir eine Ausgestaltung, die mich als Einzelpraxis gegenüber MVZ-Ketten nicht noch weiter benachteiligt. Und viertens hätte ich gerne eine proaktive Kommunikationsstrategie, die anders verläuft als alles, was ich in der Coronapandemie bisher kennen gelernt habe. Können wir uns bitte darauf einigen?

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