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Praxiskolumne Und plötzlich Praxischef

Autor: Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth

In den Praxen rückt nun die jüngere Generation als Führung nach. Das stellt die Frage nach ihrer Eignung für diese Aufgabe. In den Praxen rückt nun die jüngere Generation als Führung nach. Das stellt die Frage nach ihrer Eignung für diese Aufgabe. © Studio Romantic – stock.adobe.com
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Wie führt man eine Arzt­praxis? Das ist eine Frage, die mir häufig vom ärztlichen Nachwuchs gestellt wird. Und es ist schon richtig, gelernt haben wir dazu ja alle nichts im Studium. Vertreter der Boomer-Generation, von denen derzeit viele noch in der Niederlassung sind, haben sich das Thema irgendwie angeeignet – wie die Boomer halt so waren. Daher herrschte in vielen Praxen oft ein hierarchischer Führungsstil. Es gab eine klare Kommunikation und Ansagen an die ,,Mädels“, wie medizinische Fachangestellte von den noch vorwiegend männlichen Praxischefs gerne tituliert wurden.

Jetzt soll die Milleniumgeneration in die Niederlassung folgen und damit in die Führungsverantwortung. Meine Wahrnehmung ist: Der Nachwuchs tut sich an dieser Stelle oft schwer. Viele jüngere Kolleg*innen haben Bedenken angesichts der Anforderungen, die aus Selbstständigkeit und Verantwortung für Mitarbeitende resultieren.

In vielen Bereichen ist inzwischen ein anderer, eher kooperativer als autoritärer Führungsstil eingezogen. Der Milleniumgeneration selbst sind, so sagt die Wissenschaft, in der Arbeitswelt Themen wie Anerkennung, Feedback, Entwicklungsmöglichkeiten, Work-Life-Balance, Vielfalt und Diversität wichtig. 

Doch eignet sich ein kooperativer Führungsstil, der diese Themen adressiert, für ein mittelständisches Unternehmen? Diese Frage kann ich natürlich nicht pauschal beantworten. Ich erlebe aber, dass der Nachwuchs die Sache so angeht, wie er bisher erfolgreich die Dinge angegangen ist. Die Auswahlkriterien fürs Medizinstudium mendeln ja ein gewisses Verhaltensmuster raus. Mut zur Lücke und die Haltung ,,werde ich schon irgendwie hinbekommen mit der Führung“, ist beim Nachwuchs eher selten eine Option. Die meisten Abiturient*innen mit einer Einskommanull im Zeugnis arbeiten die Frage­stellung „Führung“ mehrheitlich gewissenhaft ab. Die Berufsverbände und Verbundweiterbildungen sollten ein Angebot schaffen, dass diese Frage adressiert. Denn sich mit dem Thema Führung vor der Niederlassung zu befassen, ist ein Wunsch des Nachwuchses, den wir unbedingt aufnehmen sollten.

Was ist meine Erfahrung mit dem Thema Führung in der Praxis aus den letzten 22 Jahren der Selbstständigkeit? Was kann ich weitergeben? Zum einen bin ich der Überzeugung, Vertrauen muss man sich verdienen durch Vertrauen. Das heißt, ich muss den Mitarbeitenden zutrauen, dass sie Lösungen finden, dass sie Ideen entwickeln und dass sie gewissenhaft ihre Arbeit tun, ohne von mir ständig kontrolliert zu werden. Dieses Führungsprinzip hat sich in meiner Praxis bewährt. Als Chefin darf ich darauf vertrauen, dass alle gerne etwas bewegen und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen. Keiner geht morgens zur Arbeit, um nichts zu bewegen. 

Eine solche Vertrauenskultur ist ein Pfund in einem Unternehmen. Zum anderen habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich aktiv mit meinen Mitarbeitenden kommunizieren muss. Das Motto „meine Tür ist immer offen“ ist mit Verlaub ein ziemlicher Blödsinn. Tatsächlich gilt für viele immer noch der Satz ,,Gehe nicht zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst“. Ich muss schon selbst aus meiner offenen Tür zu den Mitarbeitenden gehen.

Wichtig ist mir, Wasserstandsmeldungen und die Stimmung regelmäßig abzufragen. Neben Einzelgesprächen halte ich regelmäßige Teambesprechungen für sehr wichtig, um Schnittstellen durch immer mehr Teilzeitarbeit und interprofessionelles Arbeiten mit Delegationskräften zu bearbeiten und potenzielle Bruchstellen zu vermeiden. Dies wird zukünftig immer wichtiger werden. Aber vermutlich ist der erfolgreichste Führungsstil der, der zu einem selbst und zu den Mitarbeitenden im Unternehmen passt.

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