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Kommentar
 
Verwahranstalt, mehr nicht!

Aus der Redaktion Autor: Stefanie Menzel

© MT
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Pflegebedürftigkeit vermeiden und den Alltag wieder selbstständig meistern: So wirbt eine geriatrische Reha­klinik aus NRW auf ihrer Website. Ein Kommentar.

Dank ganzheitlichem Konzept und täglich mindestens vier Anwendungen werde der Behandlungserfolg sichergestellt – alles selbstverständlich individuell abgestimmt und von einem „komplexen“ Team begleitet.

Doch komplex sind dort offenbar ganz andere Dinge. Nach fünffacher Vertebroplastie und Frühreha wechselt eine 80-Jährige zur weiteren Mobilisierung in die besagte Einrichtung, bezieht ein Doppelzimmer – und wartet. Tagelang passiert therapeutisch nichts. Flaute auch im Bereich Entertainment: TV kaputt, kein Telefon, keine Zeitung, Speisesaal und Cafeteria geschlossen (Hygienevorschrift!), Rundgang im Park untersagt (Rutschgefahr!). Kommunikation mit der Zimmergenossin Fehlanzeige. Sie entpuppt sich als dement.

Die erste Stunde Gruppentherapie wird von einer „Schülerin Motorik“ (Fachkräftemangel!) angeleitet, die über die medizinische Vorgeschichte ihrer Patienten offensichtlich nicht im Bilde ist: „Wenn Ihnen die Übung wehtut, machen Sie die doch einfach nicht.“ 

So geht das fast drei Wochen lang. Zum wöchentlichen Highlight wird die Einzelstunde mit einer gestandenen Physiotherapeutin inklusive Fango und Massage. 

Warum die Ärzte ohne Rücksprache mit den Angehörigen eine Verlängerung beantragen, bleibt ihr Geheimnis. Könnte es am ausbleibenden Rehaerfolg liegen? 

Dann bricht in der Klinik Corona aus. Auch die 80-Jährige, kardiovaskulär vorbelastet, fiebert und hustet. Nach drei Tagen kommt endlich das (positive) PCR-Testergebnis, da ist sie schon fast wieder übern Berg. Nicht so ihre Bettnachbarin, auf deren Klingeln nun keiner mehr reagiert – auch das Gros des Personals ist in Quarantäne. Zum Füttern steht niemand parat, das Essenstablett wird unangetastet abgeräumt.

Nach vier Wochen er­bittet die 80-Jährige zum wiederholten Mal um Hilfe beim Duschen und Haarewaschen – erneut vergeblich. 

Krass, denken Sie, aber ein Einzelfall? Offenbar nicht, wie mir Kollegen bestätigen. Und übrigens: Die Patien­tin ist privat versichert. Man darf gespannt sein, was alles auf der Rechnung steht!

Stefanie Menzel
Redakteurin Medizin

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