Was digitale Tumorchirurgie heute kann Vision Zero zeigt neue Optionen im OP und fordert Politik zum Handeln auf

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Von der Planung bis zum Eingriff – KI, Mixed Reality und Datenvernetzung verändern die Neurochirurgie. Von der Planung bis zum Eingriff – KI, Mixed Reality und Datenvernetzung verändern die Neurochirurgie. © ipopba - stock.adobe.com

Wie vernetzte Systeme den OP revolutionieren können, zeigte Rainer Birkenbach von Brainlab, München.

Wie vernetzte Systeme den OP revolutionieren können, zeigte Rainer Birkenbach von Brainlab, München. Das Unternehmen entwickelt bildgestützte Software-Systeme für die Neurochirurgie, eine „Navigation für den menschlichen Körper“, erklärte er. Das Kartenmaterial: die Bilddaten der Patientinnen und Patienten.

In den letzten Jahren seien viele neue Geräte in den OP gebracht worden – „mehr Computer, mehr Monitore“, betonte er. Doch diese Systeme seien meist nicht vernetzt, man arbeite weiterhin mit unstrukturierten Daten und analogen Prozessen. Mit Blick auf Cybersecurity werde heute sogar „weniger vernetzt statt mehr“, kritisierte der CEO. 

Wie die Geräte tatsächlich miteinander kommunizieren und nicht nur Bilddaten austauschen könnten, zeigte er anhand eines Fallbeispiels aus der Neurochirurgie, einer anstehenden Operation eines Patienten mit Gehirntumor. Dieser Tumor soll so weit wie möglich chirurgisch entfernt und gleichzeitig funktionelles Gewebe geschont werden, das zum Beispiel für motorische Funktionalität oder das Sprachzentrum verantwortlich ist.

Mehr molekulare Tumorboards und wirksames Screening

Eine Reformagenda mit der Leitfrage „Was braucht die Onkologie heute und in der Zukunft wirklich?“ haben Autorinnen und Autoren des „Vision Zero Initiativkreises Patient:innen“ zur Herbstarbeitstagung vorgelegt – mit 7 Forderungen an die Politik.

  1. Versorgung
    Vernetzung von Kompetenzzentren und regionalen Strukturen, Einsatz von Telemedizin, Community Nurses sowie verbindliche Standards.
  2. Präzisionsmedizin
    Umfassender Anspruch auf molekulare Tumorboards und Anerkennung von Real-World-Daten für Kostenübernahmen.
  3. Forschung & Innovation
    Unbürokratische Studienprozesse, nachhaltige Finanzierung der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ und Diversifizierung von Lieferketten für Medikamente.
  4. Digitalisierung, Daten & Künstliche Intelligenz
    Verpflichtende Einführung der ePA für GKV und PKV, nachhaltige Finanzierung von Netzwerken wie nNGM oder NCT, europäische Harmonisierung des Datenschutzes. KI kann u. a. Diagnosen beschleunigen und Therapien präzisieren.
  5. Prävention
    Aufstockung der Präventionsausgaben, flächendeckende Einführung wirksamer Screening-Programme (z. B. Lungenkrebs), Lernen von Best-Practice-Modellen, etwa aus Skandinavien.
  6. Kooperationen
    Nationale Netzwerke wie NCT oder DKTK stärken und internationale Kooperationen ausbauen. 
  7. Beteiligung von Patientinnen und Patienten
    Patientenvertretung benötigt Förderprogramme, Stipendien, Patientenkoordinatorinnen und -koordinatoren sowie steuerliche Entlastungen.

    www.vision-zero-oncology.de  

Der Workflow der Behandlung beginnt im Büro des zuständigen Neurochirurgen, der auf die Patientendaten zugreifen kann. Mit KI-gestützten Informationen aus deren Bilddaten baut die Software einen digitalen Zwilling der Person auf. Der Chirurg verwendet nun weitere interaktive KI-Tools, um die Lage des Tumors innerhalb von Sekunden zu definieren und das Objekt dem digitalen Zwilling hinzuzufügen. Im nächsten Schritt kann er die Bereiche, die man während der Operation unbedingt schonen muss, visualisieren. Mit diesem vollständigen anatomischen personalisierten Modell kann es jetzt in den OP gehen.

Dort kann sich das Team über den Fall dreidimensional orientieren und auch eine Simulation der Kraniotomie durchführen, also der Öffnung des Schädels während der OP. 

Die Daten sind nahtlos in der Radiochirurgie einsetzbar

Im vollständigen Plan des Navigationssystems lässt sich z. B. auch die Position des Instruments in der Hand der Chirurgin oder des Chirurgen präzise zum Ziel navigieren. Muss der Eingriff beendet werden, weil er zu riskant ist, lassen sich all diese Daten nahtlos für die Radiochirurgie weiterverwenden. Die Software berechnet dafür dann die exakte Dosisverteilung auf dem Resttumorgewebe.

Zum Einsatz kämen inzwischen auch sogenannte Mixed-Reality-Brillen, mit denen das Team die Planinformationen, wie etwa 3D-Modelle von Organen, statt nur am Monitor „in einer Größe von zwei, drei Metern betrachten“ könne, erläuterte Birkenbach. Die Zusammenarbeit funktioniere auch, wenn die Anwendenden sich in verschiedenen Häusern bzw. Ländern aufhielten, so Birkenbach.

Medical-Tribune-Bericht