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Weniger leben für mehr Gefühl

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

© MT
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Kein Sex, keine Musik, kein Sport. Zeitweise auf alles verzichten, um danach umso mehr zu fühlen – das ist das Prinzip des sogenannten Dopamin-Fastens. Eine Kolumne.

Ein neues Jahr. Zeit, mal wieder joggen zu gehen. Die Wohnung zu renovieren. Neue Hobbys auszuprobieren. Alte Freundschaften wieder aufleben zu lassen. Aber Vorsicht: Bei all diesen Aktivitäten wird Dopamin ausgeschüttet. Das ist gefährlich, könnte es doch dazu führen, dass man sich gut fühlt, womöglich sogar glücklich.

Glück – das ist etwas für Menschen, die sich nicht unter Kontrolle haben. Die es nicht besser wissen. Glück ist von gestern. Ärger, Trauer, Wut und Nervosität übrigens auch – alles überflüssig. Wer heute etwas auf sich hält, vergräbt sich zu Hause, hinter heruntergelassenen Rollläden und zugezogenen Vorhängen. Verzichtet auf alles, was eine Emotion verursachen könnte: Essen, gute Gespräche, Sex, ja sogar Augenkontakt. Wer heute etwas auf sich hält, hält seine Dopaminlevel flach – zumindest zeitweise.

Dopamin-Fasten ist der neueste Auswuchs des allgegenwärtigen „Optimiere dich und dein Leben“-Wahns. Anhänger der Bewegung versuchen, sämtliche Stimuli aus ihrem Alltag zu verbannen, um damit ihre Dopaminspiegel auf Null zu setzen. Die Kunst liegt im Nichtstun, Nichtssehen, Nichtshören, Nichtsfühlen. Komplett abstumpfen, um danach umso mehr zu spüren. Ein erfülltes Leben durch größtmögliche innere Leere. So weit die Theorie. Der Trend kommt (wie kann es anders sein?) aus den USA, wird aber auch hierzulande schon von vielen verfolgt.

Also Tür zu, Schlafmaske auf, Ohrenstöpsel rein, Dopamin runter? Wenn es doch nur so einfach wäre! Aber es klingt zumindest gut und vor allem besser als „Ich habe heute einfach zu gar nichts Lust“.

Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin

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