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Wenn der Physio den HIV-Status mitliest

Aus der Redaktion Autor: Anouschka Wasner

© MT
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Datenhoheit hat man den Nutzern der ePA versprochen – aber eigentlich kann das die elektronische Patientenakte gar nicht wirklich. Zumindest anfangs noch nicht. Dumm gelaufen.

Die Bundesbürger freuen sich schon auf die elektronische Patientenakte! Knapp zwei Drittel würden die E-Akte nutzen wollen, besagt eine Umfrage, die der Digitalverband Bitkom vor wenigen Wochen veröffentlichte. Wie schön. Aber würden die 1003 Befragten heute auch noch so antworten? Heute, wo ein Gesundheitsminister ihnen quasi ins Gesicht sagt: Das mit der Datenhoheit ist ne tolle Sache, aber wir kriegen das nicht hin und lassen es deswegen erst mal!

Denn das ist passiert: Auf dem Hauptstadtkongress bestätigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass es für die Nutzer der elektronischen Patientenakte (ePA), die 2021 eingeführt werden soll, zunächst keine Möglichkeit geben wird, die Zugriffsrechte auf ihre Daten zu differenzieren. Dabei geht es nicht darum, dass ein Patient einen einzelnen Befund verstecken möchte.

Es geht darum, dass alle Daten (!) der jeweiligen ePA für jeden Arzt, jeden Apotheker und jeden Physiotherapeuten sichtbar sein werden. Und aus diesem Spiel kommt niemand raus. Der Apotheker aus der Nachbarschaft freut sich dann darüber, dass Sie endlich eine Psychotherapie wegen Ihres Burn-outs begonnen haben und Ihre Zahnärztin fühlt den Schwangerschaftsabbruch bestimmt gut mit. Ja, und der Kollege aus der Augenheilkunde sollte eh wissen, dass Ihr HIV-Test keine Konsequenzen hatte.

Man arbeite aber daran, unterstrich Spahn auf dem Hauptstadtkongress – während doch klar war, dass er das Problem nicht wirklich nachvollziehen konnte. Die Gesellschafter der Gematik sollen jetzt festlegen, ab wann das gezielte Teilen der ePA-Daten möglich sein soll. Ach ja: Seit Mai 2019 ist das Bundesgesundheitsministerium mit 51 % Mehrheitsgesellschafter der Gematik.

Drei Viertel der Bundesbürger haben bei der Bitkom-Umfrage übrigens betont, dass sie selbst kontrollieren möchten, welche Ärzte Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben. Pech gehabt. Spahn legt offensichtlich mehr Wert auf das Durchsetzen seines Projektes als darauf, dass das Depressionstagebuch nicht vom Orthopäden gelesen wird. Wie gut, dass Spahn nicht für den Berliner Flughafen verantwortlich ist. Er hätte ihn wohl einfach in Betrieb genommen. Wer braucht schon Brandschutz.

Anouschka Wasner
Redakteurin Politik & Management

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