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Ambulante Leistungen in Kliniken „Wie im Supermarkt, sofort ist alles da“

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

Was ist bei der Ambulantisierung stationärer Leistungen in den nächsten Jahren machbar? Darüber wurde beim 44. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf in Präsenz und mit dem FDP-Politiker Dr. Heiner Garg (Monitor) diskutiert. Was ist bei der Ambulantisierung stationärer Leistungen in den nächsten Jahren machbar? Darüber wurde beim 44. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf in Präsenz und mit dem FDP-Politiker Dr. Heiner Garg (Monitor) diskutiert. © Messe Düsseldorf / ctillmann
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Die Krankenhäuser setzen auf die Ambulantisierung ihrer Versorgung. Sie sei kostengünstiger für die Krankenkassen und durch das Angebot aus einer Hand auch patientenfreundlicher. Auf dem 44. Krankenhaustag wurde daraus eine Kernforderung an die neue Bundesregierung.

Der für Krankenkassen billigste und für die Patienten beste Weg ist der direkte Zugang zum Krankenhaus.“ Davon ist Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren (VKD), überzeugt. 

Beispiel Notdienst: „Die Zersplitterung zwischen kassenärztlichem Notdienst und Rettungsdienst ist das Teuerste, was wir uns leisten“, meint der VKD-Präsident. Im Notdienst koste der Einsatz des niedergelassenen Fahrdiensts die Kassen rund 251 Euro und der des Rettungsdienstes sogar 1.210 Euro. Gehe der Patient direkt in die Notfallambulanz eines Krankenhauses, koste es nur rund 42 Euro. 

Aus Sicht der Patienten seien die Krankenhäuser „der Anker der Versorgung“. Sie sähen den Vorteil in der direkten Versorgung durch die Klinik. Denn hier müsse kein Patient mit Schmerzen wochenlang auf ein CT warten. „Das ist wie im Supermarkt, sofort ist alles da“, so Dr. Düllings. 

Stationäre Erlöse stützen die Notfallambulanz

Daraus resultiere auch die hohe Inanspruchnahme der Kliniken im Notdienst. Die Krankenhäuser versorgten bundesweit zehn Millionen Notfallpatienten im Jahr, während der eigentlich zuständige KV-Notdienst nur neun Millionen Fälle übernehme. Die Krankenhausversorgung sei auch bedarfsgerechter als der Einsatz des Rettungsdienstes. 60 % der RTW-Transporte seien nämlich „überflüssig“.

Die Präferenz der Patienten für die Krankhausnotfallambulanz hat in Dr. Düllings Klinik in Paderborn dazu geführt, dass dort mit 97.000 Fällen fast doppelt so viele Fälle ambulant wie stationär versorgt würden. Das entstehende Defizit werde durch die Einnahmen über die statio­nären Fälle subventioniert.

Beispiel Verweildauer: Auch die immer noch relativ hohe stationäre Verweildauer von sechs Tagen sei Ergebnis der mangelnden Verzahnung der Sektoren, meint Dr. Düllings. Für den Medizinischen Dienst sei die angebliche Fehlbelegung der häufigste Anlass für Rückforderungen. Tatsächlich sei der Hauptgrund: „Die Anschlussversorgung funktioniert nicht.“

Dazu gehörten auch die immer wieder festzustellenden unerwünschten Arzneimittelinteraktionen. Nach Auffassung des VKD-Präsidenten gehen 10 % der Notfallbehandlungen durch Kliniken, also eine Million Fälle, auf solche Interaktionen zurück. Seine Klinik beschäftigte zwei Apothekerinnen, die mit diesen Interaktionen befasst seien. Die Kooperation zwischen niedergelassenem Arzt und Apotheker funktioniere nicht.

Dr. Düllings sieht vergleichbare Defizite auch in der ambulanten Nachbehandlung von Depressionen. So würden 92 % der schweren Depressionen nach einem Klinikaufenthalt nicht leitliniengerecht versorgt. Die Folge seien Rehospitalisierungen und Suizide. Auch die außerklinische Versorgung von Beatmungspatienten zeige Mängel. 60 % dieser Patienten könnten entwöhnt werden. „Das passiert aber nicht wegen des Mangels an ambulanten Lungenfachärzten und Beatmungstherapeuten.“

Der Gesetzgeber habe das Problem inzwischen erkannt und gestehe den Kliniken eine Übergangspflege von zehn Tagen zu. Dazu würden eigens Pflegestationen eingerichtet.

Der abzusehende Ärztemangel durch den hohen Altersdurchschnitt vor allem auf dem Land werde die Situation noch verschärfen. Die doppelte Facharztschiene könne man sich in zehn Jahren nicht mehr leis­ten. Doch solange das „KV-Monopol“ noch bestehe, werde sich nicht viel ändern. Deshalb fordert Dr. Düllings eine Reform, die das Krankenhaus als erste Anlaufstelle vorsieht und die das Einrichten von tagesklinischen Strukturen erlaubt.

Nach Auffassung von Michael Mruck, stellvertretender Leiter der NRW-Landesvertretung des Ersatzkassenverbandes, muss politisch entschieden werden, wer an welcher Stelle der bessere Versorger ist. Denn die Interessen der Beteiligten seien zu heterogen, um  selbst das Überwinden der Sektorengrenzen bewirken zu können. Vor Ort gebe es beachtenswerte Initiativen wie die Portalpraxen, sie hätten allerdings bisher keine Struktureffekte.

Signal aus der Ampelrunde: „Wir haben verstanden“

Dr. Heiner Garg (FDP), Gesundheitsminister in Schleswig-Holstein, machte den Klinikvertretern bei der Eröffnung des 44. Deutschen Krankenhaustages Mut. Ohne sein „Schweigegelübde“ zu brechen, berichtete das Mitglied der Ampel-Arbeitsgruppe Gesundheit von den Plänen der absehbaren Koalitionäre, die Finanzen der Krankenhäuser zu stabilisieren. „Wir haben verstanden“, so Dr. Garg. Der Bund soll sich an den Investitionskosten beteiligen und sich in die Krankenhausplanung einmischen, nicht detailliert, sondern über Leitlinien, die regionale Besonderheiten berücksichtigen. Länder, die sich daran halten wollen, würden – gekoppelt an Strukturveränderungen – unterstützt. Dr. Garg kündigte eine Reform des DRG-Systems an. Nicht alles sei schlecht daran, aber es habe doch zu „deutlichen Fehlentwicklungen“ geführt. Ein „Vorhaltekostenblock“ soll implementiert werden, damit die Klinikdirektoren nicht mehr gezwungen seien, bei den Leistungen in die Menge zu gehen. Schnelle Lösungen versprach er den Geburtshilfe- und Kinderkliniken sowie in der Notfallversorgung. Auch „Schnittstellenprofessionen“ wie der Physician Assistant sollen gefördert werden.

Ampelkoalition nährt Hoffnung auf Öffnung

Mruck brach eine Lanze für die Vertragsärzte. Die überwiegende Mehrheit der Niedergelassenen leis­te mit hohem zeitlichem Einsatz einen „exzellenten Job“. Mit Blick auf unterschiedliche Vergütungen für dieselben Leistungen im ambulanten wie stationären Bereich erinnerte der Kassenvertreter daran, dass Niedergelassene ihre Investitionen selbst finanzieren müssten – anders als die Kliniken. „Der einzelne Arzt ist nicht verantwortlich für die Fehler im System.“ Die Zeit für eine Reform im Sinne der Ambulantisierung der Krankenhäuser sei jetzt günstig, meint Dr. Falko Milski, Geschäftsführer der Bodden-Kliniken in Ribnitz-Damgarten. Im SPD-Programm werde die ambulante Versorgung durch Krankenhäuser unterstützt. Die Grünen setzten sich für eine sektor­übergreifende, regionale Versorgungsplanung ein. Unter der Ampelkoalition bestehe daher Hoffnung für die Kliniken auf eine Öffnung für die ambulante Versorgung.

Quelle: 44. Deutscher Krankenhaustag

Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren © Messe Düsseldorf/ ctillmann
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