Zur Lage der Hausärzte „Wir sind nicht die Büttel der Krankenkassen“

Gesundheitspolitik Autor: Ingolf Dürr

© Feodora - AdobeStock

Die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV) fanden sich dieses Mal in Erfurt zu ihrer Frühjahrstagung ein. Wie es der Zufall wollte, trat zeitgleich auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft. Dort hatte der Verband einige Erfolge erzielen können. Doch schon droht der Gesundheitsminister mit neuen Gesetzen. Und die stoßen bei den Hausärztevertretern auf wenig Gegenliebe. Denn der zunehmende Verteilungskampf zwischen den Krankenkassen könnte zulasten der Hausärzte gehen.

Die Allgemeinmedizin hat es geschafft, das verstaubte Image, das vonseiten der Universitäten viel zu lange propagiert wurde, endlich abzulegen", so hatte es Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des DHÄV, schon vor der Frühjahrstagung verlauten lassen. Das sei ein großer Erfolg, aber jetzt müsse man daran arbeiten, dass aus diesem Interesse der jungen Ärzte-Generation auch ein klares "Ja" zur hausärztlichen Tätigkeit wird, gab Weigeldt die Zielrichtung des Berufsverbands für die nähere Zukunft vor.

Interesse an Allgemeinmedizin wächst

Tatsächlich zeigt die aktuelle Ärztestatistik der Bundesärztekammer einen Anstieg der Entwicklung der Hausarztzahlen. Und auch Umfragen unter Medizinstudierenden bestätigen ein wachsendes Interesse an der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Arbeit. Die Zukunft der Allgemeinmedizin sieht also gar nicht mehr so trübe aus, wie noch vor ein paar Jahren befürchtet. Zumindest hat es diesen Anschein. Doch die hohe Schlagzahl an neuen Gesetzen aus dem Bundesgesundheitsministerium könnte den positiven Trend auch rasch wieder abwürgen, so die Befürchtung.

Erfolge der Verbandsarbeit


Beim TSVG habe der Verband noch das Bestmögliche herausholen können, weil man schon in dessen Entstehungsphase die eigenen Forderungen klar formuliert habe, lobte der Hausärzte-Chef sich und seine Mitstreiter in den Landesverbänden vor allem in Bayern und Baden-Württemberg und zählte die Erfolge der Reihe nach auf.

  1. Für die Vermittlung von Facharztterminen durch Hausärzte waren zuerst zwei, dann fünf Euro vorgesehen. Im Ergebnis sei man bei zehn Euro gelandet – ein kleiner Erfolg, wie hoch auch immer die Bedeutung dieser Vermittlungsgebühr zu bewerten ist.
  2. Die Herausnahme aus der Verpflichtung, offene Sprechstunden ausweisen zu müssen, sei ebenfalls ein Erfolg. Schließlich habe man schon immer Puffer für Akutpatienten in den Hausarztpraxen vorgehalten.
  3. Es gibt nun eine Bonusregelung für Versicherte in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV). Auch wenn deren Umsetzung durch eine Wirtschaftlichkeitsklausel kompliziert wird, sei man hier in der Sache – nämlich, dass Versicherte für ihre freiwillige Teilnahme an der HzV belohnt werden sollen – einen großen Schritt weitergekommen.
  4. Weiterhin wurde eine Fortgeltungsklausel für HzV-Verträge gesetzlich verankert, um vertragslose Zustände in Zukunft zu vermeiden.

Verband will weiblicher werden

In Erfurt hat der DHÄV auch eine neue Satzung verabschiedet. Neu ist, dass Männer und Frauen zukünftig in den Verbandsgremien möglichst paritätisch vertreten sein sollen.

Trotz dieser Erfolge könne man allerdings die staatlichen Eingriffe in einen freien Beruf so nicht akzeptieren, stellte Weigeldt klar. Selbst wenn er Verständnis dafür aufbringe, wenn er die Klagen der Patienten darüber höre, dass sie dringende Facharzt-Termine ohne hausärztliche Intervention nicht bekommen und gleichzeitig in manchen Praxen Leistungen angeboten werden, die mit dem auf dem Schild annoncierten Fach nur wenig zu tun haben. Das müsse nicht über staatliche Eingriffe geregelt werden, so Weigeldt. Schließlich gebe es ja auch die HzV als Alternative zur Regelversorgung im KV-System, die hier aus dem Dilemma helfen könne.

DMP müssen bleiben

Auf der Delegiertenversammlung sprach sich der DHÄV klar gegen eine Streichung der Programmkostenpauschale für Disease-Management-Programme (DMP) aus. Darin sei man sich auch mit den Patientenvertretern und den Vertretern der Selbsthilfegruppen sowie dem AOK-Bundesverband sehr einig. Die DMP seien ein wichtiges Versorgungselement und das Risiko, dass sie mit der Abschaffung der Programmkostenpauschale gleich mitverschwinden würden, wäre einfach zu groß. Dabei sei man sich sehr wohl bewusst, dass die DMP nicht immer allen Erwartungen entsprochen hätten. Aber man könne sie sinnvoll weiterentwickeln.

Hausärzte lassen sich nicht von Kassen manipulieren

Dass die Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung und multimorbider Patienten im Vordergrund der Gesundheitspolitik stehen müsse, nimmt der DHÄV-Bundesvorsitzende dem Bundesgesundheitsminister Spahn durchaus ab. Ob das allerdings auch unbedingt das Interesse aller Krankenkassen ist, dahinter macht Weigeldt ein Fragezeichen? Konkret bezieht er sich dabei auf die immer wieder laut gewordenen Betrugsvorwürfe an Ärzte im Zusammenhang mit der Kodierung von Diagnosen. Dabei habe bisher niemand, auch nicht das Gesundheitsministerium, auch nur den kleinsten Nachweis, dass Hausärzte Diagnosen "manipuliert" hätten. "Wir lassen uns nicht länger beleidigen oder eines angeblichen "Upcodings" bezichtigen, nur um einzelnen Kassen in der Auseinandersetzung um die Zuweisungen aus dem Morbi-RSA als Munition zu dienen", stellte Weigeldt klar und kommt dann auch gleich auf die neueste Gesetzesvorlage von Minister Spahn zu sprechen: das "Faire-Kassen-Gesetz" (FKG). Dieses soll unter anderem ebenfalls dazu beitragen, Manipulationen bei den Diagnosen zu verhindern, und alle Krankenkassen unter eine zentrale Aufsicht stellen.

Kein Kassenkampf auf dem Rücken der Hausärzte

So weit, so gut. Kritik übte Weigeldt aber insbesondere an einer Passage im Gesetzentwurf, wonach der Aufwand von Hausarzt und Facharzt bei derselben Diagnose unterschiedlich bewertet werden könnte. Ziel dieser Regelung sei es, die Zuweisungen an die Kassen aus dem Morbi-RSA für eine hausärztliche Diagnose geringer zu machen als die eines Facharztes, so Weigeldt. Damit werde die wirtschaftlichere und in Bezug auf den Bedarf des Patienten adäquatere hausärztliche Versorgung diskreditiert. Und dies könnte dazu führen, dass Krankenkassen, deren Ziel die Optimierung der RSA-Zuweisung ist, ihre Versicherten nicht mehr vom Hausarzt betreuen und dort die Versorgung steuern lassen, sondern sie direkt zu Fachärzten schicken, befürchtet der Hausärzte-Chef und machte unter großem Beifall der Delegierten deutlich: "Wir sind nicht die Büttel der Krankenkassen!"

Landarztquote trägt (doch) Früchte

Bei der Frage, ob eine Landarztquote eine sinnvolle Maßnahme sein könnte, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu gewährleisten, hatte sich der DHÄV lange Zeit eher skeptisch geäußert. Neue Zahlen aus Nordrhein-Westfalen haben nun aber zu einem Umdenken geführt. Denn in NRW haben sich inzwischen für das erste Auswahlverfahren mehr als 1.300 Bewerber angemeldet. Das sei auch ein deutlicher Beleg dafür, wie groß das Interesse wirklich ist, als Hausärztin oder Hausarzt tätig zu werden, so der DHÄV.

Es könne doch nicht sein, dass die Versorgung der Bevölkerung und die medizinische Dokumentation der Hausärzte den Einnahmeinteressen einzelner Krankenkassen aus dem RSA-Topf untergeordnet und damit massiv gefährdet wird, machte Weigeldt seinem Unmut weiter Luft. Der Verteilungskampf der Kassen untereinander dürfe keinesfalls auf dem Rücken der Hausärzte und ihrer Patienten ausgetragen werden.

Die Zukunft gehört der HzV

Von dieser Kritik nimmt der Verbandsvorsitzende ausdrücklich jene Kassen aus, die sich seit vielen Jahren für die Hausarztzentrierte Versorgung eingesetzt haben und immer noch einsetzen. Und in der HzV, in die mittlerweile mehr als 5 Millionen Versicherte eingeschrieben sind, sieht Weigeldt auch den besten Lösungsweg für die bestehenden Probleme in der ambulanten Versorgung. Daher sei es weiterhin das Ziel, die HzV zu einer alternativen Regelversorgung auszubauen, durch die die Hausärzte unabhängig von den fachärztlichen Mehrheiten im Kollektivvertragssystem würden.

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Einen Physician Assistant brauchen wir nicht

Zum wiederholten Male hat sich der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt gegen den neuen Beruf des Physician Assistant ausgesprochen. Dass sich nun auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zu diesem Thema positioniert, hält Weigeldt nicht für sinnvoll, denn auch andere Facharztverbände hätten bereits signalisiert, dass man sich dort um ein Konzept für die Arztunterstützung kümmern wolle. Praxisfern ausgebildete Fachhochschulabsolventen könne man in den Hausarztpraxen nicht gebrauchen. Als gelungenes Beispiel führte Weigeldt das VERAH®-Konzept des DHÄV an mit inzwischen bundesweit mehr als 12.000 weiterqualifizierten MFA. Es spräche aber auch nichts dagegen, das Erfolgsmodell VERAH® weiterzuentwickeln, zum Beispiel in Richtung einer Akademisierung. Dazu wurde auch ein Antrag beschlossen, dass das Berufsbild der MFA insgesamt interessanter gestaltet werden könnte, wenn weitere akademische Qualifizierungsmöglichkeiten für geeignete MFA geschaffen würden. Hier sollen Kooperationen mit Hochschulen geprüft werden.


Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (11) Seite 32-36
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Abb. 1.: Die Delegierten erwartete eine spannende Diskussion Abb. 1.: Die Delegierten erwartete eine spannende Diskussion © Georg J. Lopata/axentis.de
...und 2: Zwischen Delegierten und Vorstand wurde eifrig diskutiert ...und 2: Zwischen Delegierten und Vorstand wurde eifrig diskutiert © Georg J. Lopata/axentis.de
Abb. 3: Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt zeichnete das Bild zur Lage der Hausärzte. Abb. 3: Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt zeichnete das Bild zur Lage der Hausärzte. © Georg J. Lopata/axentis.de