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Umweltschutz Wohin mit dem Diabetesmüll?

Gesundheitspolitik Autor: Antje Thiel

Betroffene nervt der Müll zunehmend. Das Gebot der Stunde: recyceln statt wegwerfen. Betroffene nervt der Müll zunehmend. Das Gebot der Stunde: recyceln statt wegwerfen. © iStock/FooTToo, iStock/Gam1983
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In Krankenhäusern und Arztpraxen türmt sich der Abfall durch Einwegschutzkleidung, auf den Straßen flattern achtlos weggeworfene Gesichtsmasken – die Coronapandemie führt einmal mehr vor Augen, dass Medizin eine Menge Müll produziert. In der Diabetestherapie fallen viele Einwegartikel und Umverpackungen aus Plastik sowie Verbundstoffe und festverbaute Batterien an. Zu viel, finden immer mehr Akteur*innen.

Ob Einweginsulinpen, Pennadel, Applikator für den Glukosesensor oder Katheterschlauch für die Insulinpumpe: Bislang verläuft das Produktleben von Hilfsmitteln für die Diabetestherapie in der Regel überwiegend linear. Auf die Materialbeschaffung folgen Produktion, Verpackung, Verteilung und Gebrauch – anschließend landet der benutzte Artikel im Abfall. „Wir müssen zu einem anderen Denken und Verhalten kommen, von der Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft“, erklärte Dr. Katrin­ Kraatz­, Chefredakteurin des Diabetes Journals. Gebrauchte Hilfsmittel müssten recycelt werden, damit die Rohstoffe erneut in den Produktionskreislauf gelangen. „Recycling darf nicht mehr teurer sein als Wegwerfen.“

Die aktuelle Medical Device Directive (MDD) der EU macht hierzu bereits klare Vorgaben. So heißt es darin: „Die Produkte werden so designt und hergestellt, dass ihre sichere Entsorgung und die der damit verbundenen Abfallstoffe durch Anwendende, Patient*innen oder andere Personen, erleichtert wird. Zu diesem Zweck sollen die Hersteller Verfahren und Maßnahmen ermitteln und erproben, mit denen ihre Produkte nach der Verwendung sicher entsorgt werden können. Diese Verfahren sind in der Gebrauchsanweisung zu beschreiben.“

Restmüll, Sammelbox oder in den Gelben Sack?

Doch in und auf Verpackungen von Diabeteshilfsmitteln sucht man derartige Hinweise bislang vergeblich. Es ist für Anwendende nicht ersichtlich, wie die einzelnen Komponenten zu entsorgen sind. Gehört ein gebrauchter Glukosesensor in den Restmüll oder in die Sammelbox für Altbatterien? Darf man benutzte Pennadeln in den Gelben Sack werfen oder vielleicht doch nur die Schutzkappen aus Plastik? Und wie wird der Applikator für einen CGM-Sensor korrekt entsorgt? Auch Rücknahmeprogramme durch die Hersteller sind zurzeit eher die Ausnahme als die Regel.

Mittlerweile gibt es in der Diabetes­industrie einzelne Initiativen, um das Müllaufkommen zu reduzieren. Sie reichen von vorgefüllten CO2-neutralen Autoinjektoren über die Rücknahme und Wiederverwertung von Einweginsulinpens, den Fokus auf kostengünstige Mehrweg- statt Einweginsulinpens bis hin zu kleineren Glukosesensoren, die mit entsprechend weniger Material und Verpackung auskommen. Dazu kommen branchenübergreifend neue Ideen für stabile und wiederverwendbare Transportverpackungen anstelle von Einwegverpackungen aus Kunststoff oder Pappe. Doch diese Einzelaktivitäten reichen nach Einschätzung vieler in der Dia­betologie Tätigen noch nicht aus.

Im Juli 2021 hat deshalb die Dia­betes Technology Society (DTS) den virtuellen „Green Diabetes Summit“ veranstaltet, an dem 23 Vertreter*innen der wichtigsten Interessengruppen aus den USA und Europa teilnahmen. „Dabei entstand eine ‚Green Diabetes Declaration‘, in der die Teilnehmenden ihre Unterstützung für neue Strategien und Praktiken zur Förderung von Nachhaltigkeit und ordnungsgemäßer Abfallentsorgung bekräftigen“, berichtete Dr. Kraatz. Die Erklärung richtet sich an alle, die mit Diabetes­technologie zu tun haben:

  • Menschen mit Diabetes
  • Gesundheitsberufe
  • Hersteller
  • Regierungs- und Aufsichtsbehörden

Tatsächlich ist Nachhaltigkeit für immer mehr Erkrankte ein wichtiges Thema, wie die Diskussion im Plenum zeigte. „Natürlich möchte niemand auf Annehmlichkeiten wie Glukosesensoren verzichten. Doch es tut im Herzen weh, so viel Müll zu produzieren“, berichtete ein Teilnehmer. „Was sich in der Medizin an Abfall ansammelt, wird noch viel zu häufig völlig unkritisch gesehen“, meinte ein anderer Zuhörer. „Die Diabetespraxen sollten hierbei zum Katalysator für Patienten werden – wir sollten ihren Diabetesmüll sammeln und an die jeweiligen Hersteller zurückschicken“, schlug eine weitere Teilnehmerin vor.

Der ehemalige AGDT-Vorsitzende und Mitherausgeber des diatec journals, Prof. Dr. Lutz­ Heinemann­, fand Gefallen an dieser Idee. „Einfach mal den ganzen Müll an die Hersteller zurückzuschicken, könnte tatsächlich etwas bewirken. Wenn Landwirte Übelriechendes vor Ministerien abkippen, bringt das ja auch gelegentlich was.“

Quelle: DiaTec 2022

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