Arzt-Patienten-Kommunikation Statistische Informationen verständlich vermitteln

Ärztliche Befunde und Aussagen zum damit verbundenen Risiko sind für Patient:innen nicht immer einfach zu verstehen. Ein Team aus Wissenschaftlern der Fachbereiche Medizin, Medizindidaktik und Mathematikdidaktik der LMU hat nun im Fachmagazin PLOS ONE eine Studie dazu veröffentlicht, wie die Kommunikation zwischen Ärzt:innenn und Patient:innen über tatsächliche Risiken besser funktionieren kann.
Ein Beispiel aus der Studie: Ein Patient hat gerade erfahren, dass der Verdacht auf Krebs sich erhärtet hat, weil seine Schilddrüse in der Sonografie Auffälligkeiten gezeigt hat. Bedeutet das, dass der Patient an einem Schilddrüsenkarzinom erkrankt ist? Nicht unbedingt. Denn das Ergebnis der Untersuchung kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch positiv sein, obwohl der Patient gar kein Schilddrüsenkarzinom hat.
Um Patient:innen zu erklären, wie sich statistische Zusammenhänge nach positiven Testergebnissen darstellen, gibt es zwei Ansätze: Bayesianische und Diagnostische Information.
Bayesianische Information
Die Bayesianische Informationsvermittlung werde besonders häufig gewählt. Dieser Ansatz geht von der Anzahl der tatsächlich Erkrankten aus. Man erklärt also zunächst, wie häufig die untersuchte Krankheit insgesamt auftritt, also beispielsweise „von 1000 Patienten haben 50 ein Schilddrüsenkarzinom“. Dann gibt man an, bei wie vielen dieser Erkrankten das Testergebnis positiv ausgefallen ist (20 der 50 Erkrankten) und zusätzlich, wie viele nicht-erkrankte Menschen trotzdem ein positives Testergebnis aufweisen (110 der übrigen 950).
Dies seien in der Regel auch die Informationen, die der Ärzt:in bekannt sind und recherchiert werden könnten. Der Anteil positiv getesteter Personen unter den erkrankten Personen wird auch als Sensitivität bezeichnet – ein Begriff, der Patient:innen seit der Corona-Pandemie z. B. als ein Qualitätskriterium von Schnelltests inzwischen geläufig sei. Der Anteil positiv getesteter Personen unter den Erkrankten werde jedoch häufig verwechselt mit dem Anteil der erkrankten Personen unter den positiv getesteten Personen. Diese beiden Anteile könnten sich aber je nach Situation ganz drastisch unterscheiden.
Was bedeuten diese Zahlen in Bezug auf eine Person mit positivem Testergebnis? Nur 10 % der Testpersonen der Studie waren in der Lage, zu errechnen, wie viele Menschen mit positivem Testergebnis wirklich erkrankt seien.
Diagnostische Information
Bei der diagnostischen Informationsvermittlung erfährt man zuerst, wie viele Patienten ein positives Testergebnis haben, unabhängig davon, ob sie wirklich krank sind oder nicht. Im oben genannten Beispiel wären das 130 Personen mit einer auffälligen Schilddrüsen-Sonografie (von 1.000 Untersuchten). Anschließend wird man darüber aufgeklärt, wie viele dieser positiv Getesteten wirklich erkrankt sind (20 von 130) und wie viele Menschen ebenfalls krank sind, obwohl ihr Testergebnis negativ war (30 von 870).
Die relevante Information ist hier direkt enthalten: Wenn der Befund positiv ist, stehen die Chancen 20 zu 130, dass man wirklich Schilddrüsenkrebs hat. Bei dieser Kommunikationsform waren 72 % der Studienteilnehmer dazu in der Lage, zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, im Vergleich zu den 10 % beim Bayesianischen Ansatz.
Wie vermittelt man statistische Informationen am besten?
„Hinzu kommt, dass die Probanden bei der Bayesianischen Kommunikation erheblich langsamer zum richtigen Ergebnis kamen, wenn überhaupt.“, erklärt Karin Binder. „Diese Verarbeitungszeit ist in Arztpraxen und Krankenhäusern aber oft nicht vorhanden.“ Das Autorenteam plädiert deshalb dafür, dass Ärzt:innen in Zukunft vermehrt auf die diagnostische Informationsvermittlung setzen. So könnte Verwirrung, Fehlinterpretationen und falsche Entscheidungen besser begegnet werden.
Red.
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München
Original-Publikation:
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0283947
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.