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Vom Feld aufs Land: Ehemalige Truppenärztin sucht neue Aufgaben in der zivilen Versorgung

Autor: Isabel Aulehla

Dr. Beate Moritz ist ehemaliger Oberfeldarzt a.D. und denkt nun über ihre weitere medizinische Karriere nach. Dr. Beate Moritz ist ehemaliger Oberfeldarzt a.D. und denkt nun über ihre weitere medizinische Karriere nach. © joneyut – stock.adobe.com; Isabel Aulehla
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Den Wiedereinstiegskurs für Ärzte in Rheinland-Pfalz besuchte auch Dr. Beate Moritz, Oberfeldarzt a. D. Hier schildert sie, warum sie nach der Armee Neues wagt.

Warum nehmen Sie an diesem Wiedereinstiegskurs teil?

Dr. Beate Moritz: Seit Januar 2017 bin ich pensioniert. Doch ich habe den Wunsch, mich wieder ärztlich zu betätigen. Der Kurs ist ein sehr gutes Angebot, für sich festzustellen, wie viel Potenzial noch abrufbar ist.

Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Ich habe in Mainz und Frankfurt Medizin studiert und danach in der Anästhesie an einem Krankenhaus in Norddeutschland gearbeitet. Diese Stelle habe ich wegen einer vermeintlichen Traumstelle in einer chirurgischen Abteilung in Süddeutschland verlassen. Doch die Vorstellung, jahrelang die „Frau fürs Grobe“ – also Ambulanzarbeit und Hakenhalten im OP – zu sein, ohne meinen OP-Katalog voll zu bekommen, hat mich zur Allgemeinmedizin gebracht. Eine Weiterbildungsstelle in einer Hamburger Praxis war schnell gefunden. Das Nadelöhr zu Zeiten der „Ärzteschwemme“ war die Weiterbildungszeit in der Inneren Medizin in einem Krankenhaus. Aber außer dubiosen Angeboten, wie ohne Vertrag und Gehalt ganztags auf unbestimmte Zeit in einer Abteilung zu arbeiten, bis eine Stelle frei würde, gab es keinerlei Lichtblick.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Ich habe mich bei der Bundeswehr beworben. So wurde ich schließlich Soldat auf Zeit und konnte im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg den noch fehlenden Teil der Inneren Medizin absolvieren und so endlich die Facharztprüfung machen.

Als Frau bei der Bundeswehr – wie haben Sie sich da gefühlt?

Sehr gut. Meinen Vertrag habe ich noch zweimal verlängert und dann einen Antrag auf die Übernahme als Berufssoldat gestellt.

Warum haben Sie sich gegen eine Niederlassung entschieden?

Die Bundeswehr bietet die seltene Möglichkeit, Therapiefreiheit auszuüben. Man ist zwar auch hier verpflichtet, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu folgen, aber man kann jedem Patienten das zukommen lassen, was er braucht.

Was macht ein Truppenarzt?

Der Truppenarzt ist der Hausarzt der Soldaten. Er hat etwa mit denselben Erkrankungen zu tun wie ein ziviler Hausarzt, der weder Kinder noch Senioren behandelt. Einige Erkrankungen ergeben sich aus den speziellen Belastungen des Soldatenberufs. Ein Soldat, der im Einsatz war und dort körperliche oder seelische Verletzungen erlitten hat, trägt ein anderes Krankheitsrisiko als der Durchschnittsarbeitnehmer.

Wo waren Sie eingesetzt?

Insgesamt hatte ich elf verschiedene Verwendungen und eine Kommandierung an die Universitätsklinik Köln zur Vervollständigung der arbeitsmedizinischen Weiterbildung. Die Facharztprüfung habe ich 2008 gemacht. Ansonsten war ich von Schleswig bis München und von Brüssel bis Berlin tätig.

Was haben Sie in Brüssel gemacht?

Ich war Truppenarzt für die deutschen Soldaten bei SHAPE – Supreme Headquarters Allied Powers Europe, also Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa – und der deutschen Soldaten im NATO-Hauptquartier in Brüssel.

War das etwas Besonderes für Sie?

Ja. Schon allein wegen der Ko­operation mit anderen Nationen und weil ich der erste weibliche deutsche Offizier in der Nato war. Natürlich auch wegen der Ereignisse vom 11. September. Nach diesem Tag wurde unser Dienstfahrzeug bei der Einfahrt kontrolliert und mit Unterbodenspiegel begutachtet. In der Truppe war erhöhter Informationsbedarf darüber, wie man bei Auffinden von verdächtigem Pulver vorgehen sollte und welche Maßnahmen bei einem Anschlag mit Anthraxpulver von der Sanität geleistet werden könnten.

Wo haben Sie zuletzt gearbeitet?

Meine letzte Verwendung war als Leiter ODINBw in Andernach. ODINBw ist der „Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen nach Beendigung einer Tätigkeit mit Einwirkung krebserzeugender Gefahrstoffe“. Analog zu zivilen Einrichtungen werden hier die betroffenen Mitglieder der Bundeswehr registriert und die entsprechenden Untersuchungen veranlasst.

Was war in Ihrer Bundeswehrzeit die größte Herausforderung oder Belastung für Sie?

Dienstlich war es die Verantwortung für Soldaten und Mitarbeiter im mir unterstellten Bereich, manchmal waren das 60 Leute, manchmal nur wenige. Das bedeutete, zum Teil auch die Disziplinargewalt über Soldaten zu haben und Strafen zu verhängen, außerdem Beurteilungen und Zeugnisse zu schreiben, die den Ausschlag über die Karrieren von Menschen geben. Privat war es die Wochenendehe über 18 Jahre, mit Überwindung von zum Teil großen Distanzen.

Gibt es auch in der Bundeswehr einen Ärztemangel?

Durch das Aussetzen der Wehrpflicht und den Wandel zu einer Einsatzarmee haben sich die Anforderungen geändert. Die militärischen Ärzte gehen mit in die Einsätze, um die Soldaten dort zu betreuen. Während ihrer Abwesenheit muss die ärztliche Tätigkeit von anderen militärischen Ärzten übernommen werden. Der überwiegende Teil der Soldaten ist schließlich in Deutschland. Eine gewisse Diskrepanz zwischen der erforderlichen ärztlichen Dienstleis­tung und den real existierenden Ressourcen ist nicht zu verleugnen.

Wie wird der Mangel behoben?

Ein bewährtes Mittel, diese Vakanzen zu überbrücken, sind sogenannte Vertragsärzte. Das sind zivile Kolleginnen und Kollegen, die für definierte Zeiträume engagiert werden, um die Arbeit der militärischen Ärzte im Wesentlichen zu übernehmen. Eine Vordienstzeit ist keine Voraussetzung, um als Vertragsarzt zu arbeiten. Gefordert sind die medizinische Kompetenz und ein achtungsvoller Umgang mit den Soldaten.

Würde Sie jetzt eine Praxis reizen – als Inhaberin oder Angestellte?

Um eine Praxis als Inhaberin zu eröffnen, bin ich zu alt. Aber eine tage- oder stundenweise Mitarbeit in einer Praxis könnte ich mir schon noch vorstellen. Das ist aber nur eine von vielen Optionen.

Mut zur Rückkehr

Mehr Studienplätze für Mediziner können am Ärztemangel frühestens in einigen Jahren etwas ändern. In Rheinland-Pfalz wendet man sich daher auch an Ärzte, die ihren Beruf aktuell nicht ausüben. Bei einem fünftägigen Wiedereinstiegskurs in Mainz frischten 37 Teilnehmerinnen und drei Teilnehmer ihr Wissen auf. Der Fokus des 40-Stunden-Kurses lag auf häufigen Erkrankungen, vereinzelt gab es betriebswirtschaftliche Module. Auch Möglichkeiten für Hospitationen in Allgemeinarztpraxen wurden aufgezeigt. Die Akademie für Ärztliche Fortbildung in Rheinland-Pfalz und die Landesärztekammer organisierten die Veranstaltung bereits zum zweiten Mal. 2017 nahmen 28 Ärzte teil, die Hälfte von ihnen ist wieder in der Versorgung tätig. Das Gesundheitsministerium des Landes beteiligt sich an der Finanzierung des Kurses. Er kostet 198 Euro für Ärzte, die in Rheinland-Pfalz tätig werden wollen. Ansons­ten kostet der Kurs 698 Euro. Mehr Infos zu den Kursen
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