
Zwischen Risiko und Schutzfaktor Alkohol und seine kardiovaskulären Risiken

Alkohol ist für viele Alltag, für das Herz aber eine Herausforderung. Wie viel ist zu viel – und ist weniger manchmal sogar mehr? Ein Forschungsteam der American Heart Association hat die aktuelle Datenlage sondiert. Klar ist: Die Dosis macht das Gift.
Der Einfluss von Alkohol auf das Herz-Kreislauf-System wird in der Forschung seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Während exzessiver Konsum nachweislich gesundheitsschädlich ist, deuten einige Studien darauf hin, dass ein geringer bis mäßiger Alkoholkonsum möglicherweise mit einem reduzierten Risiko für bestimmte kardiovaskuläre Erkrankungen einhergeht.
Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mariann Piano von der Vanderbilt Unversity School of Nursing veranschaulicht aktuelle Studienergebnisse anhand des Konsums von US-amerikanischen „Standarddrinks“. Dieser enthält ca. 14 g Alkohol und gilt als solcher, wenn er bspw. aus
- 29,6 ml einer Spirituose mit ca. 50 % vol,
- 44,4 ml einer Spirituose mit ca. 40 % vol,
- 149 ml Wein (~ 12 % vol) oder
- 355 ml Bier (~ 5 % vol)
besteht. Wie sich der Alkoholkonsum konkret auf verschiedene kardiovaskuläre Parameter und Erkrankungen auswirkt, zeigt eine Auswertung zahlreicher Studien.
Blutdruck
Insgesamt 36 randomisierte kontrollierte Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ein täglicher Konsum von ein bis zwei Standarddrinks den Blutdruck nicht beeinflusst. Ab dem dritten Drink steigt das Risiko für erhöhten Blutdruck. Im Umkehrschluss sei damit zu rechnen, dass verringerter Alkoholgenuss oder sogar Abstinenz den Erfolg einer antihypertensiven Therapie verbessern könne, so die Forschenden.
Koronare Herzkrankheit
Die Forschenden schreiben, dass maximal zwei Drinks täglich bei Männern, maximal ein Drink täglich bei Frauen das Risiko einer KHK verringert. Vor hohem Alkoholkonsum und Binge-Drinking ist aus Gründen der Kardioprotektion zu warnen.
Schlaganfall
Einer Metaanalyse von 27 prospektiven epidemiologischen Studien zufolge reduzieren ein bis zwei Drinks pro Tag das Risiko eines Schlaganfalls um 8–10 %. Trinkfreudigen sollte nahegelegt werden, dass hoher Alkoholkonsum (≥ 5 Drinks/d für Männer und ≥ 4/d für Frauen) die Gefahr eines Hirninsults jeder Art erhöht. Eine wesentliche Rolle spielt dabei wohl der ungünstige Einfluss auf den Blutdruck.
Vorhofflimmern
Es ist unklar, ob bereits ein Drink am Tag riskant ist. Eine prospektive Studie kommt zu dem Schluss, dass Alkoholabstinenz die Flimmerlast erheblich verringert. Interessanterweise war laut einer weiteren Studie ein langfristiger Konsum von einem Drink täglich mit dem niedrigsten Risiko für den plötzlichen Herztod verbunden.
Herzinsuffizienz
Niedriger bis moderater Genuss (1–2 Drinks täglich) führt nicht zu einem vermehrten Auftreten der Herzinsuffizienz. Aber mehr als zwei Gläser täglich und Rauschtrinken können die Gefahr dafür erhöhen. Bei strukturellen oder funktionellen kardialen Anomalien ist ein Alkoholgenuss von mehr als 5 Drinks pro Woche mit einer erhöhten Progressionsneigung assoziiert. Es kommt häufiger zu asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und manifester Herzschwäche.
Kardiomyopathie
Langfristiger, exzessiver Alkoholkonsum kann die Entwicklung einer alkoholischen Kardiomyopathie begünstigen. Als kritisch gilt ein Zeitraum von 5–15 Jahren, schreiben die Forschenden. Dabei spielen auch genetische Faktoren und Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle. Senken leitliniengerecht behandelte Herzinsuffiziente ihren Konsum auf unter 6 Drink pro Woche, bessern sich Ventrikelfunktion und Prognose. Für die dilatative Kardiomyopathie gibt es bisher keine Grenzwerte. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass moderater bis exzessiver Alkoholkonsum (1–5 Drinks für Frauen und 2–5 für Männer) bei Erkrankten nicht mit dem vermehrten Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse innerhalb von vier Jahren assoziiert war.
Zusammenfassend konstatiert die Autorengruppe der AHA, dass schweres Trinken (mehr als zwei Drinks am Tag) und rauschhafter Konsum nachweislich das Herz schädigen. Alkoholabstinenz und reduzierte Aufnahme können auch Komplikationen wie bpsw. Hypertonie vermindern. Wichtig sind weitere Untersuchungen z. B. bei Frauen, denn diese waren in den Studien unterrepräsentiert. Unklar bleibt weiterhin, ob die Art des alkoholischen Getränks und der eingenommenen Medikation die negativen Effekte verstärken.
Quelle: Piano MR et al. Circulation 2025; doi: 10.1161/CIR.0000000000001341