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„Baby Blues“ oder postpartale Thyreoiditis?

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Eine Thyreoiditis tritt laut dem US-amerikanischen National Institute of Health bei 8 % der frischgebackenen Mütter auf. Eine Thyreoiditis tritt laut dem US-amerikanischen National Institute of Health bei 8 % der frischgebackenen Mütter auf. © wikimedia/Nephron
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Gereizt, genervt und schlapp einige Wochen nach der Entbindung? Das muss nicht nur an der neuen Situation liegen, in der sich eine junge Mutter befindet. Ursache ist manchmal auch eine postpartal auftretende Entzündung in der Schilddrüse.

Eine postpartale Thyreoiditis (PPT) betrifft eine von 20 Frauen nach der Entbindung. Die Symptome sind unspezifisch und können von Patientinnen und Ärzten gleichermaßen als „normal“ für diese turbulente Zeit fehlgedeutet werden. Hinter der PPT steckt ein Autoimmunprozess, angestoßen durch den immunologischen Rückstoß nach der relativen Immunsuppression während der Schwangerschaft, schreiben Dr. Riley Epp, University of Ottawa, und Kollegen.

Die Postpartum-Thyreoiditis zeigt klassischerweise einen triphasischen Verlauf. Sie beginnt etwa ein bis sechs Monate nach der Entbindung mit der thyreotoxischen Phase, die nach rund zwei bis drei Monaten in eine hypothyreote Phase übergeht. Als dritter Schritt stellt sich nach weiteren drei bis sechs Monaten meist wieder eine Euthyreose ein, bei 20–30 % der Frauen persistiert die Unterfunktion allerdings.

Als Symptome der thyreotoxischen Phase treten vermehrt Fatigue, Palpitationen sowie Nervosität und Reizbarkeit auf, in der hypothyreoten Phase dominieren mangelnde Konzentration und Depressionen. Auch Laktationsprobleme können ihren Ausgangspunkt in einer Dysfunktion der Schilddrüse haben. Die Differenzialdiagnose PPT sollte spätestens immer dann im Raum stehen, wenn eine Mutter innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt mit entsprechenden Beschwerden oder gar dem Verdacht auf eine Postpartum-Depression vorstellig wird.

Autoimmunerkrankungen als Risikofaktoren

Zusätzlich sollten (Hoch-)Risikofaktoren hellhörig machen. Dazu gehören u.a. eine vorangegangene PPT-Episode, eine behandlungspflichtige Hashimoto-Thyreoiditis, ein positiver Anti-TPO-Status, ein Typ-1-Diabetes sowie anamnestisch bekannte weitere Autoimmunerkrankungen. Eine gezielte Diagnostik sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt empfehlen die Autoren nicht nur bei Symptomen, sondern auch bei diesen Risikofaktoren.

Zur Abklärung wird der TSH-Spiegel bestimmt und bei sehr niedrigen Werten – zum Ausschluss einer Basedow-Erkrankung – nach TSH-Rezeptorantikörpern (TRAK) gesucht. Ein negativer TRAK-Befund und erhöhtes freies T4 und T3 sprechen für die hyperthyreote PPT-Phase. In der hypothyreoten Phase ist der TSH-Spiegel erhöht.

Erhöhtes Risiko für eine permanente Unterfunktion

Liegen die TSH-Werte trotz Symptomen/Risikofaktoren im normalen oder nur leicht erhöhten Bereich, befindet sich die Patientin womöglich in der Hyper-Hypo-Übergangsphase. Dann ist eine Testwiederholung vier Wochen später sinnvoll.

Therapieren muss man die Betroffenen in der thyreotoxischen Phase nicht unbedingt, es bedarf aber einer Verlaufskontrolle der Laborwerte. Bei belastenden Symptomen kann evtl. ein Betablocker helfen. In der Unterfunktionsphase richtet sich die Behandlung nach dem Ausmaß der Beschwerden. Liegt der TSH-Wert über 10 mIU/l, sollte man unbedingt L-Thyroxin substituieren. Das gilt auch bei wiederholt erhöhten TSH-Spiegeln unter 10 mIU/l. Eine ausgeheilte PPT erhöht das Risiko, künftig eine permanente Schilddrüsenunterfunktion zu entwickeln. Deshalb ist eine Nachsorge in jährlichen Abständen (bei Kinderwunsch häufiger) ratsam.

Quelle: Epp R et al. BMJ 2021; 372: n495; DOI: 10.1136/bmj.n495