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Kopfschmerzen bei MS Betroffene werden unzureichend behandelt

Schmerzkongress 2023 Autor: Birgit Maronde

Jeder Fünfte hatte an mehr als 14 Tagen pro Monat Beschwerden und somit chronische Kopfschmerzen. Jeder Fünfte hatte an mehr als 14 Tagen pro Monat Beschwerden und somit chronische Kopfschmerzen. © Berit Kessler - stock.adobe.com
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Kopfschmerzen sind für Patienten mit Multipler Sklerose ein häufiges und auch relevantes Problem. Es wird aber zu selten adäquat adressiert.

Darauf lassen die Interimsergebnisse einer noch laufenden prospektiven multizentrischen Fragebogen- bzw. Interviewstudie schießen, die PD Dr. Torsten­ Kraya­ vom Klinikum St. Georg in Leipzig vorstellte.

Ausgewertet wurden bisher die Daten von 150 MS-Patienten (79 % Frauen) im Alter von 20 bis 77 Jahren. In diesem Kollektiv lag die Ein-Jahres-Prävalenz von Kopfschmerzen bei 78 % und im Vergleich zu älteren Studien überraschend hoch, erklärte der Kollege.  Vor der MS-Diagnose hatten nur 56 % der Kranken unter Cephalgien gelitten.

Am häufigsten lag bei den Patienten eine Migräne mit und ohne Aura bzw. eine wahrscheinliche Migräne vor. Letztere erfüllt nicht alle Kriterien einer Migräne. Deutlich seltener waren Spannungskopfschmerzen (37 %). Über mehrere Schmerzvarianten berichteten 41 % der Kopfschmerzpatienten. Jeder Fünfte hatte an mehr als 14 Tagen pro Monat Beschwerden und somit chronische Kopfschmerzen.

Für die Akuttherapie griffen die Patienten zu 65 % auf NSAR und zu 16 % auf Novaminsulfon zurück. Nur 6 % nutzten Triptane, was angesichts der relativ hohen Zahl an Migränepatienten erstaunt, so Dr. Kraya. Eine medikamentöse Prophylaxe bekamen lediglich 6 %, obwohl 20 % chronische Beschwerden hatten. 

Rund 62 % der Studienteilnehmer fühlten sich durch die Kopfschmerzen in ihrem Alltag stark oder sehr stark beeinträchtigt. Angst und/oder Depressionen, eine mittelschwere und schwere Fatigue (motorisch und kognitiv) traten bei kopfschmerzbelasteten Patienten signifikant häufiger auf. 

Unklar ist bislang, ob man von einer Koinzidenz von primären Kopfschmerzen und MS ausgehen kann oder ob MS-typische zerebrale Veränderungen zu Kopfschmerzen führen, erklärte Dr. Kraya. Dies müsse man weiter untersuchen. Zu bedenken sei aber auch, dass manche MS-Therapeutika Kopfschmerzen hervorrufen.

Im Hinblick auf eine potenziell inflammatorische Genese der Kopfschmerzen bei MS wurde übrigens auch nach dem Effekt einer Steroidtherapie gefragt. 16 von 55 Patienten, die Prednisolon erhalten hatten, berichteten über eine Besserung der Cephalgien.

Als erschreckend bezeichnete ein Kollege aus dem Auditorium die vorgestellten Daten zur Häufigkeit einer gezielten Kopfschmerztherapie. Obwohl MS-Patienten bei Neurologen in Behandlung sind, ist die Versorgung nicht besser als in der Normalbevölkerung, kritisierte er.

Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2023