Verdauung & Lebensqualität Blähungen: Ursachen, Diagnose und moderne Therapie
Blähungen: Ursachen erkennen, Alarmsymptome beachten und moderne Therapien nutzen – aktuelle Empfehlungen für die hausärztliche Praxis.
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Jeder dritte bis siebte Mensch leidet unter Blähungen. Doch nur wenige sprechen über ihre Beschwerden. Wenn sich Betroffene gegenüber ihrer Ärztin oder ihrem Arzt öffnen, ist es wichtig, ehrlich zu kommunizieren – denn eine endgültige Lösung für die Symptome gibt es nicht immer.
Wenn Patientinnen und Patienten mit Blähungen die hausärztliche Praxis aufsuchen, haben sie oft bereits einen längeren Leidensweg hinter sich, erklärte Dr. Jelena Rakić Matić vom Gesundheitszentrum Zagreb-West. Viele hätten bereits „Dr. Google“, Familie oder das Apothekenpersonal konsultiert, bevor sie den Mut fassten, die oft als peinlich empfundenen Beschwerden bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt anzusprechen.
Betroffene beschreiben ihre Symptome häufig sehr anschaulich: Sie fühlen sich wie ein Ballon oder schwanger, leiden unter Druck- und Völlegefühl und klagen über Bauchgeräusche sowie übermäßige Gasbildung. Die Beschwerden können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und sich auf Beruf, Sozialleben und Partnerschaft auswirken, betonte die Hausärztin.
Psychosoziale Faktoren spielen eine wichtige Rolle
Zunächst ist abzuklären, ob die Beschwerden organischer (s. Kasten) oder funktioneller Genese sind. Eine immer wichtigere Rolle spielen psychosoziale Faktoren. Für Patientinnen und Patienten sei es allerdings oft einfacher, einen organischen Auslöser zu akzeptieren, so Dr. Rakić Matić. Denn ein paar Tabletten zu nehmen, erscheine vielen leichter, als sich mit Stressbelastung oder Ängsten auseinanderzusetzen.
Ursachen, die man stets ausschließen muss
- gastrointestinale Tumoren
- Malabsorption und -digestion (z. B. Kohlenhydratintoleranzen, exokrine Pankreasinsuffizienz, M. Crohn, Zöliakie)
- Motilitätsstörungen (z. B. chronische intestinale Pseudoobstruktion)
- endokrine Erkrankungen/Störungen (z. B. Diabetes mellitus, Hypothyreose, polyzystisches Ovarialsyndrom)
- hormonelle Schwankungen (Schwangerschaft, Menopause)
Zur Ursachenfindung sollte man bei der Anamnese gezielt nach der Symptomcharakteristik fragen: Wann treten die Beschwerden auf? Gibt es Auslöser wie bestimmte Nahrungsmittel, Stress oder die Menstruation? Dr. Rakić Matić rät ihren Patientinnen und Patienten daher, ein Symptomtagebuch zu führen. Oft erkennen die Betroffenen dann bereits selbst Zusammenhänge. Wichtig ist zudem, den Gebrauch von Medikamenten (z. B. Metformin, GLP1-Agonisten), Süßstoffen und Alkohol sowie die Ernährungsgewohnheiten zu erfassen. Außerdem sollte eine körperliche Untersuchung erfolgen und der BMI berechnet werden. Es gilt eine Schwangerschaft, einen Aszites oder Raumforderungen auszuschließen.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern Alarmsymptome wie ungewollter Gewichtsverlust, gastrointestinale Blutungen, Anämie, nächtliche Beschwerden, ein Symptombeginn nach dem 50. Lebensjahr oder eine positive Familienanamnese für Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Solche Red Flags sind entscheidend für das weitere Vorgehen und eine eventuelle Überweisung in die Gastroenterologie. Prof. Dr. Chloé Melchior vom Universitätskrankenhaus Rouen, Frankreich, unterscheidet zwei Fälle:
- Für Patientinnen und Patienten ohne Alarmsymptome und mit stabilen Beschwerden empfiehlt sich eine Basisdiagnostik mit Blutbild, CRP, TSH, HbA1c und Transglutaminase-IgA-Antikörpern, um Erkrankungen wie die Zöliakie auszuschließen.
- Bei Alarmsymptomen oder kürzlich aufgetretenen Symptomveränderungen sind weiterführende Untersuchungen (z. B. CA-125, fäkale Elastase, Abdomensonografie, Endoskopie) indiziert.
In den meisten Fällen sind Blähungen harmlos – dann ist es wichtig, den Betroffenen die gutartige Natur der Beschwerden zu bestätigen. Basismaßnahmen umfassen die Beratung zu einer gesunden Ernährungsweise, Esshygiene (z. B. langsames Essen, kleinere Mahlzeiten) und regelmäßiger körperlicher Aktivität. Zusätzlich sollten die Schlafhygiene und das Stressmanagement thematisiert werden. Dr. Rakić Matić räumte jedoch ein, dass die Umsetzung der Empfehlungen oft im Alltag scheitere.
Bei refraktären Fällen kann eine kognitive Verhaltenstherapie oder darmgerichtete Hypnotherapie erwogen werden. Pharmakotherapeutisch stehen Antibiotika (Rifaximin), Spasmolytika und Neuromodulatoren (SSRI bei Angst oder Depression, trizyklische Antidepressiva beim Schmerzmanagement) zur Verfügung. Bei begleitender Obstipation können Sekretagoga hilfreich sein.
Betroffenen wieder zu mehr Lebensqualität verhelfen
Eine der wichtigsten Aufgaben sei es, realistische Erwartungen zu wecken, so Dr. Rakić Matić. Oft könne man dazu beitragen, dass sich die Betroffenen besser fühlen und ihre Lebensqualität steigt. Aber eine endgültige Lösung für die Beschwerden gebe es nicht immer.
* United European Gastroenterology