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Rauchstopp COPD-Patienten aus dem Teufelskreis von Angst, Depression und Inaktivität holen

Autor: Manuela Arand

Rauchen verschärft die Probleme von COPD-Patient:innen. Rauchen verschärft die Probleme von COPD-Patient:innen. © Nopphon ‒ stock.adobe.com
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Trotz hoher Prävalenz werden psychische Begleiterkrankungen der COPD sträflich unterschätzt. Doch Angst und Depression belasten nicht nur den Patienten, sie torpedieren auch die Therapie und das Selbstmanagement.

Jeder dritte COPD-Patient leidet an einer komorbiden Depression oder Angststörung. Die Prävalenz steigt mit dem Patienten­alter und dem Schweregrad der Lungenerkrankung und kann bis zu 80 % erreichen, berichtete Prof. Dr. ­Ioanna ­Tsiligianni, Universität Kreta in Heraklion. Ärzte scheuen sich ihrer Erfahrung nach, die psychischen Begleiterkrankungen anzugehen, weil sie fürchten, zeitlich und fachlich überfordert zu sein. Leitlinien helfen ihnen kaum weiter, da sie sich auf das eigentliche Krankheitsbild, die COPD, konzentrieren und Komorbiditäten oft nur oberflächlich abhandeln. 

Mehr Exazerbationen und Rehospitalisierungen

Angst und Depression stören das Management der COPD in jeder Hinsicht. Die Lebensqualität leidet, die Patienten schaffen den Rauchstopp schwerer, halten sich nicht an Therapiepläne und Selbstmanagementstrategien. Das führt zu mehr Exazerbationen und (Re-)Hospitalisierungen, steigert die Kosten und reduziert die Lebenserwartung. „Letztlich korrelieren Angst und Depression im Verein mit Atemnot und Belas­tungsintoleranz stärker mit dem Gesundheitsstatus als die gängigen Lungenfunktionsparameter“, betonte Prof. Tsiligianni. Wobei speziell die Atemnot Angst und Depression weiter fördert. Letztlich entstehen so miteinander verflochtene Teufelskreise aus eingeschränkter Atmung, negativen Gedanken, Funktions- und Aktivitätseinschränkungen, die sich wechselseitig verstärken. Um sie zu durchbrechen, braucht es Interventionen, die die Symptome lindern, Angst und Stimmung bessern und vor allem die negativen Gedanken adressieren. 

Aktiv zuhören und gut beobachten

Um rasch zu prüfen, ob der COPD-Patient mit Ängsten oder Depressionen kämpft, kann man in der Praxis Fragebogen wie PHQ-4 oder GAD-7 (Patient Health Questionnaire, Generalized Anxiety Disorder 7) nutzen. Sie sind in vielen Sprachen verfügbar und erleichtern daher auch die Kommunikation mit Patienten, die nur wenig Deutsch sprechen und verstehen. Im Arzt-Patienten-Gespräch kommt es auf Empathie, aktives Zuhören und gutes Beobachten an, vor allem von nonverbalen Signalen und der Körpersprache. Prof. Tsiligianni empfahl die OARS-Strategie: offene Fragen, Affirmation, Reflexion und Fazit (engl. summary). 

Rauchen verschärft die Probleme des Patienten: Abgesehen davon, dass eine starke Assoziation zwischen Tabakkonsum und psychischen Erkrankungen besteht, rauchen COPD-kranke Raucher mit mentalen Problemen mehr, leiden unter stärkerem Suchtdruck und schaffen den Ausstieg seltener als psychisch gesunde COPD-Patienten. Was vielen Betroffenen, aber auch vielen Ärzten unbekannt ist: Ein erfolgreicher Rauchstopp verbessert die seelische Gesundheit, reduziert Angst und Depression mindestens genauso stark wie jedes Antidepressivum – wahrscheinlich sogar stärker.

Es fehlt die Evidenz für Antidepressiva

Unter den nicht-medikamentösen Therapien gegen Atemnot und psychische Erkrankungen rangiert die kognitive Verhaltenstherapie ganz vorne, aber auch Meditation und Achtsamkeitstraining, Entspannung oder Akupunktur haben sich als hilfreich erwiesen. Nicht zu vergessen ist die pneumologische Reha, die u.a. auch Angst und Depression lindern kann. Pharmakotherapeutisch bieten sich Bronchodilatatoren gegen die Dyspnoe sowie eine medikamentöse Unterstützung der Tabakentwöhnung an. 

Um eine Empfehlung für die Gabe von Antidepressiva speziell bei COPD auszusprechen, fehlen Leitlinien und Evidenz, so Prof. Tsiligianni. Falls man sich dennoch dazu entschließt, hält die Kollegin SSRI für die erste Wahl. Hinsichtlich Trizyklika mahnt sie zur Vorsicht, insbesondere bei schwerer COPD, da diese das Atemzentrum dämpfen. Auch Benzodiazepine sind keine Dauerlösung und sollten allenfalls in niedrigster Dosierung bei schweren akuten Angstzuständen verordnet werden – und das nicht länger als vier Wochen. Wichtig zu wissen: Rauchen verstärkt die Metabolisierung von Psychopharmaka, sodass Raucher möglicherweise eine höhere Dosierung benötigen, die nach erfolgreicher Entwöhnung wieder reduziert werden kann. 

Kongressbericht: ERS (European Respiratory Society) International Congress 2022