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Reizdarmsyndrom Den Übeltäter dingfest machen

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Bevor man beim Reizdarmsyndrom vorschnell handelt, sollte man erstmal auf Spurensuche gehen. Bevor man beim Reizdarmsyndrom vorschnell handelt, sollte man erstmal auf Spurensuche gehen. © wladimir1804 – stock.adobe.com
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Bei manchem Reizdarmsyndrom sind Blähungen oder Durchfall zeitlich klar mit der Nahrungsaufnahme assoziiert. Damit eine Diät helfen kann, muss vorher der Auslöser gefunden werden. Welches Vorgehen ist am sinnvollsten?

Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist für sich gesehen bereits sehr belastend. Kommt es zusätzlich direkt nach dem Essen zu riech- und hörbaren Beschwerden, wird der Leidensdruck oft noch verschärft. Die Betroffenen meiden Restaurantbesuche oder Mahlzeiten mit anderen Menschen und die Lebensqualität sinkt. Gefährlich wird es, wenn man das vermeintlich schuldige Nahrungsmittel ohne Überprüfung weglässt: In manchen Fällen droht hierdurch sogar eine Mangelernährung, schreiben Dr. Chloé Melchior von der Universität Göteborg und Kollegen.

Das lässt den Reizdarm grummeln

Ballaststoffe, fettiges Essen, Kaffee, Alkohol und scharfe Gewürze gehören zu Nahrungsmitteln, die am häufigsten als problematisch beschrieben werden. Sie führen über sehr unterschiedliche Mechanismen zu Beschwerden, dazu zählt  beispielsweise ein Einfluss auf gastrointestinale Motilität, viszerale Hypersensibilität und intestinale Permeabilität. 

FODMAP (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) sind besonders berüchtigt: Sie werden im Dünndarm nur schlecht absorbiert und gelangen in den Dickdarm, wo sie osmotisch aktiv sind und zu einem Wassereinstrom führen. Gleichzeitig werden sie von der dortigen Mikrobiota fermentiert – es kommt zu Durchfällen und Blähungen. Die Rolle von Gluten beim Reizdarmsyndrom bleibt dagegen weiterhin unklar.

Vermeintlicher Reizdarm könnte auch Zöliakie sein

Der Verdacht auf ein RDS mit nahrungsmittelassoziierten Beschwerden musst bestätigt werden. Die Diagnostik unterscheidet sich nicht vom Vorgehen beim RDS allgemein. So sprechen unauffällige Befunde bei Blutbild, CRP, Zöliakie-Serologie und fäkales Calprotectin für die Dia­gnose RDS. Außerdem müssen Diffenrenzialdiagnosen wie mikroskopische Kolitis, Zöliakie, Krebs oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen abgeklärt werden. 

Ein Ernährungstagebuch hilft herauszufinden, ob und welches Nahrungsmittel die Beschwerden auslöst. Erst nach dessen Identifizierung muss die Aufnahme reduziert bzw. ganz vermieden werden. Bleiben die Beschwerden trotzdem bestehen, steht die Fahndung nach einer möglichen Malabsorption von Kohlenhydraten an (z.B. Laktoseintoleranz). Das beinhaltet die ausführliche Anamnese und, wenn sich Hinweise ergeben, ein Atemtest. Eine IgG-Diagnostik mit Blick auf nahrungsspezifische Antikörper ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht geeignet, um sinnvolle Hinweise für eine Auslassdiät zu generieren.

Das Weglassen eines auf diese Weise gefunden Auslösers kann die Beschwerden des Patienten lindern. Um Mangelerscheinungen zu vermeiden, sollte man bei geplanten Diäten jedoch frühzeitig einen Ernährungsberater hinzuziehen, schreiben die Autoren. Ansonsten gelten therapeutisch die allgemeinen RDS-Behandlungsgrundsätze: ausreichend Bewegung, regelmäßige Mahlzeiten, angemessene Trinkmenge. Reicht das nicht aus, können evtl. eine zusätzliche medikamentöse Therapie, eine Verhaltenstherapie bzw. eine FODMAP-Diät helfen. Wichtig ist, auch die Wünsche und Vorstellungen des Patienten in die Entscheidung einfließen zu lassen und realistische Ziele zu formulieren.

Zumindest diagnostisch hält die Zukunft auch für die Praxis einiges an spannenden und z.T. vielversprechenden Optionen bereit. Bei dem Colonoscopic Allergen Provocation (COLAP)-Test handelt es sich um einen Antigen-Provokationstest, bei dem man (analog zum Prick-Test) Nahrungsallergene in die Darmmukosa injiziert und eine lokale Reaktion abwartet. Mithilfe der konfokalen Laser-Endomikroskopie (CLE) lässt sich nach der Provokation mit einer verdächtigen Substanz die Barrierefunktion des Dünndarms beurteilen.

Quelle: Melchior C et al. United European Gastroenterol J 2022; DOI: 10.1002/ueg2.12265