Geriatrie und Depression Depressive Symptome bei Älteren oft übersehen

Autor: Birgit Maronde

Bei alten Menschen gehen Depressionen häufig mit kognitiven Defiziten, körperlichen Komorbiditäten und/oder chronischen Schmerzen einher, wobei sich psychische und somatische Erkrankung wechselseitig negativ beeinflussen. Bei alten Menschen gehen Depressionen häufig mit kognitiven Defiziten, körperlichen Komorbiditäten und/oder chronischen Schmerzen einher, wobei sich psychische und somatische Erkrankung wechselseitig negativ beeinflussen. © panitan - stock.adobe.com

Jeder dritte geriatrische Mensch zeigt depressive Symptome – doch diagnostiziert werden diese selten. Eine Mainzer Studie deckt Lücken in Erkennung und Dokumentation auf.

Depressionen treten nicht in allen Altersgruppen gleich häufig auf. Besonders hoch scheint die Prävalenz in der Akutgeriatrie zu sein, wie eine Studie aus Mainz ergeben hat. 

Bei alten Menschen gehen Depressionen häufig mit kognitiven Defiziten, körperlichen Komorbiditäten und/oder chronischen Schmerzen einher, wobei sich psychische und somatische Erkrankung wechselseitig negativ beeinflussen. Potenzielle Folgen sind eine verminderte Lebensqualität, verlängerte Krankenhausaufenthalte und eine erhöhte Sterblichkeit. Dennoch werden depressive Beschwerden im klinischen Alltag oft nicht erkannt oder nur unzureichend therapiert, schreiben Liv­ Mertens­ vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie der Universitätsmedizin Mainz und weitere Autorinnen und Autoren. 

Wie häufig depressive Symptome in der Akutgeriatrie vorkommen, untersuchte das Forscherteam in einer retrospektiven Studie. Analysiert wurden die Entlassungsbriefe von 345 Männern und Frauen, die 2019 in der Mainzer Klinik behandelt worden waren. In 288 Fällen hatte man potenziell vorliegende depressive Symptome mithilfe der Kurzfassung der Geriatrischen Depressionsskala (GDS-15) erfasst. Bei 182 (63,2 %) Patientinnen und Patienten lagen keine Hinweise auf eine relevante Depression vor (0–5 Punkte). Eine leichte depressive Symptomatik ließ sich bei 84 (29,2 %) und eine schwere bei 22 (7,6 %) der Kranken nachweisen. Um die Definition einer schweren Depression zu erfülllen, muss der GDS-15 eine Punktzahl > 10 erreichen. Was die Häufigkeit depressiver Symptome anging, fanden sich keine signifikanten Geschlechtsunterschiede, berichten die Kolleginnen und Kollegen. 

Ebenfalls negativ fiel die Suche nach einem klaren Zusammenhang zwischen den Ergebnissen von GDS-15 und Barthel-Index aus. Mit Letzterem beurteilt man die Alltagsfähigkeit in zehn Bereichen. Dagegen bestand eine eindeutige Korrelation zwischen Depression und kognitiver Einschränkung (erfasst anhand des Mini-Mental-Status-Test). Sie erreichte bei Frauen, nicht aber bei Männern, Signifikanzniveau. Mit zunehmender Depression gab es mehr kognitive Defizite und umgekehrt. 

Der Blick in die Vorbefunde ergab, dass bei 22 der stationär aufgenommenen Frauen und bei 8 der Männer eine Depression diagnostiziert worden war. Bestätigen ließen sich die psychischen Probleme aber nur in 16 bzw. 5 Fällen.

Die in der Studie erfasste Punktprävalenz von Depressionen lag bei 36,8 % und erreichte damit das in internationalen Arbeiten für ältere stationär behandelte Menschen beschriebene Niveau von bis zu 37 %. Allerdings überstieg die Häufgkeit die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Zwei-Monats-Prävalenz im höheren Lebensalter von 13,8 % deutlich, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Die Diskrepanz zwischen den niedrigen „offiziellen“ und den Studiendaten lässt sich ihrer Meinung nach womöglich mit einer unzureichenden Diagnostik oder Dokumentation erklären. Dafür spricht, dass es nur bei 10,4 % der stationär aufgenommenen alten Menschen eine Depressionsdiagnose in den Vorbefunden gab, aber 36,8 % im GDS-15 auffällig waren. Laut Mertens und ihren Kolleginnen und Kollegen ist es auch denkbar, dass sich das Einholen von Vorbefunden vor allem auf somatische Diagnosen konzentriert hatte.
 

Mertens LS et al. Z Gerontol Geriat 2025; doi: 10.1007/s00391-025-02491-9