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Tinkturen und Inhalationen Evidenzbasierte Wässerchen

DGIM 2022 Autor: Stefanie Menzel

Die wohltuende Wirkung der Kochsalzinhalation beruht auf verschiedenen Effekten von Durchblutung und Befeuchtung der Schleimhäute bis zur Spasmolyse der Bronchialmuskulatur. Die wohltuende Wirkung der Kochsalzinhalation beruht auf verschiedenen Effekten von Durchblutung und Befeuchtung der Schleimhäute bis zur Spasmolyse der Bronchialmuskulatur. © iStock/unpict
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Trinkkuren und therapeutische Inhalationen haben eine lange Tradition – sind deshalb aber kein alter Hut. Mittlerweile gibt es auch wissenschaftliche Studien, die die positiven Effekte bei verschiedenen Indikationen belegen.

Balneologische Verfahren erleben derzeit eine Art Renaissance. „Vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen, die ohnehin eine Vielzahl von Medikamenten nehmen, greifen statt zu einer weiteren Pille lieber zu einer wirksamen natürlichen Alternative“, berichtete Prof. Dr. Uwe Lange, Abteilung für Physikalische Medizin und Osteologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim.

Im Trend liegt z.B. das Trinken von Heilwässern – meist im Rahmen einer multimodalen Reha und weniger als klassische mehrwöchige Brunnenkur. Damit sich das sprudelnde Nass einer Quelle Heilwasser nennen und entsprechend vermarktet werden darf, braucht es eine Zulassung als Arzneimittel gemäß §2 AMG. Neben den Anforderungen, die ein Mineralwasser zu erfüllen hat, muss es Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten, die nachgewiesenermaßen eine lindernde bzw. vorbeugende Wirkung haben.

Wirkungen und Einsatzbereiche der gehaltvollen Wässer sind vielfältig und letztlich abhängig von ihrer Zusammensetzung (siehe Kasten). Viele enthalten Hydrogencarbonat (HCO3-) und wirken deshalb alkalisierend, was sich z.B. positiv auf den Säure-Base-Haushalt auswirken kann.

Inhaltsstoffe und mögliche Einsatzbereiche

Spurenelement/ Verbindung

erforderliche Menge

Anwendungsbereich (Auswahl)

Hydrogencarbonat (HCO3-)

> 1.300 mg/l

Sodbrennen, Reizmagen, Harnwegsinfekte, Harnsteine, Gicht

Sulfat (SO42-)

> 1.200 mg/l

Obstipation, funktionelle Erkrankungen (Pankreas, Galle)

Kalzium (Ca2+)

> 250 mg/l

Osteoporose, Kalziummangel

Magnesium (Mg2+)

> 100 mg/l

Magnesiummangel

Fluorid (F-)

> 1 mg/l

Fluoridmangel

Kohlensäure (H2CO3)

> 1.000 mg/l

Harnwegsinfekte, Darmträgheit

Hydrogencarbonat bei stagnierenden Wehen

Einige Studien haben in den letzten Jahren wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit erbracht. „Hervorzuheben ist insbesondere eine Arbeit aus dem Bereich Geburtshilfe“, betonte Prof. Lange. Die Studienergebnisse bescheinigen HCO3--haltigem Wasser einen unterstützenden Effekt bei stagnierender Wehentätigkeit. Eine andere Studie konnte zeigen, das NaHCO3-haltige Wässer die Muskelkraft erhöhen, nicht aber die Ausdauer.

„Es gibt viele Situationen, in denen wir Heilwässer in Betracht ziehen sollten“, resümierte Prof. Lange. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie sind ein reines Naturprodukt, frei verkäuflich, für den dauerhaften Konsum geeignet und haben so gut wie keine Nebenwirkungen – von gelegentlich auftretender Diarrhö einmal abgesehen.

Ganz im Sinne vieler Patienten in der Balneologie sind auch Inhalationen zur Prävention oder unterstützenden Behandlung von respiratorischen Erkrankungen. „Am besten eignet sich eine einfache Kochsalzlösung mit einer Temperatur von etwa 40 °C.“ Ätherische Öle aus Pflanzen wie Kamille, Salbei, Eukalyptus können hinzugenommen werden, bergen allerdings immer die Gefahr einer allergischen Reaktion“, warnte Prof. Lange.

Die wohltuende Wirkung der Kochsalzinhalation beruht auf verschiedenen Effekten von Durchblutung und Befeuchtung der Schleimhäute bis zur Spasmolyse der Bronchialmuskulatur. Die Autoren einer aktuellen Übersichtsstudie, die sich mit der Atemwegshygiene zu Zeiten von COVID-19 beschäftigt, kommen zu dem Schluss, dass sich über die verbesserte Schleimhautfunktion auch die Viruslast reduziert.

„Es ist eindeutig nachgewiesen, dass durch Inhalation von NaCl-Lösung Viren (und Bakterien) nicht so gut anhaften können und dank verbesserter Aktivität des Flimmerepithels schneller ausgeschieden werden“, fasste der Referent die Ergebnisse zusammen. Bereits im Jahr 2007 empfahl die DGP* das Inhalieren von NaCl-Lösung über einen Druckluft- oder Ultraschallvernebler zur Prävention von Erkältungskrankheiten. Auf diese Weise könne die Übertragung von Viren und Bakterien via Tröpfcheninfektion für die Dauer von etwa sechs Stunden um rund 72 % verringert werden, hieß es damals.

Mit der viralen Bronchiolitis im Kindesalter nannte Prof. Lange eine konkrete Indikation. Da die Erkrankung auf Bronchodilatatoren und Steroide nicht anspricht, könne hypertone NaCl-Lösung einer aktuellen Metaanalyse zufolge sehr hilfreich sein. Erste positive Ergebnisse gebe es damit bereits und weitere Studien liefen.

* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

Quelle: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin