Anzeige

Frauen loben sich selbst weniger – ihre Forschung findet kaum Beachtung

Autor: Michael Brendler

Bescheidenheit zahlt sich nicht immer aus. Bescheidenheit zahlt sich nicht immer aus. © iStock/kzenon
Anzeige

Wissenschaftlerinnen verdienen schlechter, werden seltener gefördert und machen auch seltener Karriere als ihre männlichen Kollegen. Ein Grund dafür: die zurückhaltende Selbstdarstellung.

Je höher man in Universitäten und Instituten die Karriereleiter hinaufschaut, desto seltener wird man dort Frauen entdecken. Geschlechter-Diskriminierung und Benachteiligung bei der Ressourcen-Verteilung galten bisher als die wichtigsten Ursachen. Anhand von 101 720 medizinischen Fachartikeln zeigte ein Forscherteam: Im Vergleich zu Männern verkaufen Frauen die eigenen Erfolge auch einfach schlechter.

„Neu“, „einzigartig“ und „exzellent“?

Zusammen mit Kollgen hat Professor Dr. Marc J. Lerchenmueller­ von der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim Titel und Abstracts der untersuchten Publikationen nach 25 positiven Begriffen wie „neu“, „einzigartig“ oder „exzellent“ abgesucht, mit denen Wissenschaftler ihr eigenes Werk einordneten. Waren Erst- und Letztautor jeweils Frauen, konnten sie solches Selbstlob um 12,3 % seltener finden als bei männlichen Kollegen. Diese nannten mindestens eines dieser Attribute in 12,2 % der Artikel (vgl. 10,9 % bei Frauen).

Wurden nur Zeitschriften mit einem hohen Impact-Faktor ausgewertet, lag die Quote der Veröffentlichungen, in denen Wissenschaftlerinnen ihre Arbeit besonders positiv hervorhoben, sogar um 21,4 % niedriger. Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch bei der Analyse von rund 6,2 Millionen Publikationen aus anderen naturwissenschaftlichen Bereichen.

Reicht es, den Mann ­raushängen zu lassen?

Sollte Frau sich also mehr verhalten wie ein Mann? „Die Denkweise ist mit Vorsicht zu genießen“, warnen Professor Dr. Reshma Jagsi, Universität Michigan, und Professor Dr. Julie K. Silver aus Harvard im begleitenden Editorial. Denn damit würde man unterstellen, dass ein „Beheben der weiblichen Unzulänglichkeit“ nötig sei, ignoriert dabei aber die Problematik als Ganzes. Jungen Mädchen fehlt es durch die wenigen Frauen, die für ihre Erfolge gefeiert werden, oft an Selbstbewusstsein, erklären die beiden Wissenschaftlerinnen. Gleichzeitig lebt man ihnen weiterhin vor, bescheiden sein zu müssen. Das spiegelt sich auch im Verhalten als Erwachsene wider. Zusätzlich werden Manuskripte von Autorinnen häufiger im Veröffentlichungsprozess geändert, weil man bei ihnen wissenschaftlich und sprachlich höhere Standards anlegt; ihnen sagt, „das ist so nicht gut genug“. Diese Probleme im System müssen insgesamt angegangen werden, betonen die zwei Frauen. Außerdem könnte man auch, statt den männlichen Stil als normal anzusehen, den Kollegen nahelegen, etwas zurückhaltender zu sein.

„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass Unterschiede bei der Eigenpromotion zu der Geschlechterdivergenz in der Wissenschaft beitragen können“, schreiben die Autoren. Unter anderem weil die Forscherinnen dadurch weniger Aufmerksamkeit auf die eigenen Erfolge lenken. Dies wird sich, vermuten Prof. Lerchenmueller und seine Kollegen, nicht nur auf Veröffentlichungen beschränken, sondern gilt wahrscheinlich genauso für Präsentationen auf Konferenzen oder in den sozialen Medien.

Quelle: Lerchenmueller MJ et al. BMJ 2019; 367: l6573; DOI: 10.1136/bmj.l6573