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Juristische Konsequenzen Frühzeitig überweisen!

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ärzten drohen juristische Konsequenzen. Ärzten drohen juristische Konsequenzen. © Kowit – stock.adobe.com
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Warnzeichen für einen gefährlichen Krankheitsverlauf müssen bei Symptomen jeglicher Art umgehend abgeklärt werden – im Zweifel durch vielfache Überweisungen. Sonst drohen juristische Konsequenzen.

Ein Patient suchte seinen Hausarzt am 26. April wegen beidseitiger Unterschenkelödeme auf. Die Blutuntersuchung ergab ein erhöhtes Gesamtcholesterin, der Urinstatus eine leichte Erythro- und Leukozyturie sowie eine geringfügige Eiweißausscheidung. Die in der Praxis vier Tage später durchgeführte Abdomensonografie war unauffällig. Zum Ausschluss einer Herzinsuffizienz schickte der Arzt den Patienten zum Kardiologen. Der fand nichts Pathologisches, abgesehen von einer bereits bekannten Hypertonie.

Am 10. Juni erfolgte der nächste Besuch beim Hausarzt. Diesmal waren die Fußpulse nicht mehr tastbar, was eine Überweisung zum Gefäßchirurgen nach sich zog. Doch zuvor suchte der Patient am 16., 24. und 28. Juni erneut seinen Hausarzt auf. Mittlerweile waren auch die Oberschenkel geschwollen, labordiagnostisch fiel eine Verminderung des Albumins und eine Erhöhung der Alpha- und Beta-Globuline auf. Am 6. Juli schloss ein Gefäßchirurg eine Unterschenkelthrombose und arterielle Durchblutungsstörung aus. Der Patient bekam Lymphdrainage, Diuretika und eine Kompressionsbehandlung verordnet.

Nephrologische Abklärung erfolgte viel zu spät

Sechs Tage später konsultierte der Mann erneut seinen Hausarzt. Erst jetzt vermutete dieser ein nephrotisches Syndrom mit chronischer Niereninsuffizienz und überwies zum Nephrologen. Dieser bestätigte am 16. August die Diagnose und schickte den Patienten unter dem Verdacht auf eine Glomerulonephritis in eine Klinik der Maximalversorgung. Zwischenzeitlich entwickelte der Patient eine langstreckige Thrombose der rechten Vena jugularis interna, die bis zum Sinus transversus reichte. Im Klinikum wurde die Diagnose einer membranösen Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom bestätigt und die medikamentöse Therapie eingeleitet.

Der Betroffene brachte seinen Fall vor die Schlichtungsstelle der Ärztekammer Niedersachsen. Nach deren Einschätzung war das Vorgehen des Hausarztes zwar zunächst nicht zu beanstanden. Aber ab dem 16. Juni hätte dieser aufgrund der gravierenden Befunde weitere diagnostische Maßnahmen ergreifen müssen, erklären Justine Launicke und Dr. Birger Kolb von der Schlichtungsstelle.

Die Hypalbuminämie mit Erhöhung der Alpha-1- und Alpha-2-Globuline bei erheblich vermindertem Gesamteiweiß ist geradezu pathognomonisch für ein nephrotisches Syndrom, und die deutlich erhöhten D-Dimere sprachen für ein thrombotisches Geschehen. Die Ausbreitung der Ödeme auf die Oberschenkel waren als Warnzeichen zu werten, das dringlich hätte abgeklärt werden müssen. Dies trotz allem nicht zu tun, war laut Schlichtungsstelle ein grober Befunderhebungsfehler, der zur Beweislastumkehr führte. Denn mit einer Urinkontrolle oder der Überweisung zum Nephrologen wäre die Glomerulonephritis wohl bereits am 16. Juni erkannt und behandelt worden.

Es wäre dann nicht zur Behandlungsverzögerung um zwei Monate, zur Progression der Erkrankung und zur Manifestation der Thrombose gekommen. Aufgrund der Beweislastumkehr reichte es im vorliegenden Fall für den Nachweis der Kausalität aus, dass der Befunderhebungsfehler generell geeignet war, zum Schaden zu führen.

Quelle: Launicke L, Kolb B. Niedersächsisches Ärzteblatt 2023; 96: 14-15