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Idiopathische Lungenfibrose Gegen Grippe impfen und hecheln lassen

Autor: Manuela Arand

Während 10 % der Ungeimpften im Verlauf von fünf Jahren eine IPF entwickelten, passierte das nur 5 % der Geimpften. Während 10 % der Ungeimpften im Verlauf von fünf Jahren eine IPF entwickelten, passierte das nur 5 % der Geimpften. © magicmine – stock.adobe.com
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Exogene Risikofaktoren ausschalten, um progrediente Verläufe möglichst abzuwenden: So lautet die Devise bei der idiopathischen Lungenfibrose. Neben dem Rauchstopp spielen Impfungen, der Schutz vor Umweltschadstoffen und das Vermeiden von pulmonalem Scherstress eine Rolle.

Wie andere fibrosierende Lungenerkrankungen fällt auch die idiopathische Lungenfibrose durch sehr heterogene Verläufe auf. Zwischen langjähriger Befundkonstanz und rapider Verschlechterung ist alles möglich. „Wenn wir verstehen wollen, wie es dazu kommt, müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie die Erkrankung entsteht“, sagte Prof. Dr. Andreas Günther, Universitätsklinikum Gießen. Man stellt sich vor, dass initiale Trigger DNA-Schäden auslösen und das endoplasmatische Retikulum (ER) sowie die Lysosomen stressen, was zum überschießenden alveolären Epithelzelltod führt (Typ-II-Zell-Apoptose). Die sich anschließenden Reparaturversuche nehmen über die Dauer der Erkrankung an Geschwindigkeit zu, angeheizt durch Exazerbationen und andere exogene Faktoren.

IPF-Schutz durch die  Grippeimpfung

Um diese Prozesse aufzuhalten, könnte die Grippeimpfung einen wichtigen Beitrag leisten. Beim diesjährigen Kongress der American Thoracic Society wurde eine Analyse der Daten von rund 200.000 Personen vorgestellt, die das eindrucksvoll untermauert. Während 10 % der Ungeimpften im Verlauf von fünf Jahren eine IPF entwickelten, passierte das nur 5 % der Geimpften.

Virusinfektionen lösen massiven ER-Stress aus, weil sie die Wirtszelle zwingen, große Mengen an Virus­partikeln zu erzeugen. Dies überfordert die Kapazität des endoplasmatischen Retikulums, erklärte Prof. Günther. Insofern sei es nicht erstaunlich, dass Virusinfektionen die IPF fördern und beschleunigen, Impfungen dagegen protektiv wirken können.

Dazu passt auch die folgende Beobachtung: Es gibt Patienten mit einer langsam progredienten IPF und wenigen Symptomen, bei denen ein Atemwegsinfekt zur akuten Verschlechterung führt. Obwohl die Infektion ausheilt, bleibt der Abfall der Lungenfunktion anhaltend beschleunigt.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich neben der Impfung weitere potenziell protektive Maßnahmen ableiten, so Prof. Günther, etwa antivirale Therapien in der frühen Phase der Infektion oder epithelschützende. Entsprechende Wirkstoffe befinden sich in der Entwicklung, sind aber noch nicht marktreif.

Dass Umweltnoxen eine idiopathische Lungenfibrose verschlimmern können, ist weder neu noch überraschend. Allerdings scheint nicht jeder Schadstoff gleich stark zu wirken. In einer französischen Kohorte erwies sich Ozon als Treiber von Exazerbationen, Feinstaub und Stickstoffdioxid dagegen nicht. Dafür korrelierte die Feinstaubbelastung mit der Mortalität, was wiederum auf Ozon und Stickstoffdioxid nicht zutraf. Wohnortwechsel als IPF-Therapie?

Die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Natürlich wäre eine Reduktion der Emissionen wünschenswert – ob das einfach und schnell zu realisieren ist, bleibt abzuwarten. Prof. Günther würde jedenfalls einem IPF-Patienten vorschlagen, den Wohnort zu wechseln, sofern dieser direkt neben einer Schadstoffquelle lebt.

„Ein weiterer wichtiger Punkt ist biomechanischer Stress – darüber wird selten geredet“, sagte der Pneumologe. Am Beispiel eines Patienten, dem bei einer Tumoroperation das Sternum entfernt worden war, demonstrierte er die mechanische Belastung, der das Lungengewebe seither beim tiefen Ein- und Ausatmen ausgesetzt ist. Dies kann in kurzer Zeit zu einer massiven Fibrosierung führen.

Bei der IPF kommt es durch Kollaps der Alveolen vor allem subpleural zu vielen nicht-belüfteten Arealen und zu verstärktem Scherstress, was die weitere Fibrosierung begüns­tigt. Patienten, die noch eine gute FVC aufweisen, können durch ein verändertes Atemmuster dem mechanischen Stress möglicherweise entgegenwirken. Weniger tiefe Atemzüge zu machen, dürfte sich als günstig erweisen und könnte sogar die Mortalität reduzieren, wie eine Studie der Gießener Kollegen mit 144 IPF-Patienten nahelegt.

In dieser Untersuchung korrelierte ein geringeres Tidalvolumen mit einem besseren Überleben. Prof. Günther: „Wenn IPF-Patienten hecheln statt tief durchzuatmen, üben sie weniger biomechanischen Stress auf ihre Lunge aus und könnten dadurch im Langzeitverlauf besser fah­ren.“ Derzeit untersucht sein Team eine zweite Kohorte, um die bislang erhobenen Daten zu erhärten.

Quelle: 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin