
Computermodell Genetische Nierenerkrankungen: Am virtuellen Menschen Prozesse verstehen

„Wir haben ein Computermodell des menschlichen Stoffwechsels erstellt, das über 80.000 chemische Reaktionen simuliert“, erklärt Professor Johannes Hertel, Co-Leiter der Studie, Unimedizin Greifswald: „Es handelt sich also um einen virtuellen metabolischen Menschen, an dem wir Knockout-Experimente durchführen können“. So könne ein Gen-Knockout simuliert und darauffolgende Stoffwechselprozesse errechnet werden. Gen-Knockouts seien bisher nur in Tierversuchen möglich, an Menschen jedoch primär bei seltenen Erkrankungen untersucht.
Im Rahmen des Projekts wurden mehr als 4.700 Teilnehmer der deutschen GCKD-Studie (German Chronic Kidney Disease) genetisch untersucht. Die Nieren übernehmen eine zentrale Rolle in der Ausscheidung von Stoffwechselprodukten. Diese Prozesse sind für das Verständnis genetischer Nierenerkrankungen von großer Bedeutung.
Im Gegensatz zu bisherigen Studien, die sich auf häufig vorkommende Genvarianten konzentrieren, wurde nun der Einfluss seltener genetischer Varianten auf insgesamt 2.690 verschiedene Metabolite analysiert und 192 Verbindungen zwischen Genen und Metaboliten identifiziert, die Rückschlüsse auf bestimmte Prozesse in der Niere zulassen.
„Unsere Studie liefert neue Erkenntnisse darüber, welche Gene eine Rolle in bestimmten Stoffwechselwegen spielen und wie genetische Variationen zu gesundheitlichen Problemen führen können“, betont Prof. Anna Köttgen, Co-Leiterin der Studie, Universitätsklinikum Freiburg. „Mit diesem Verständnis können wir Stoffwechsel- und Nierenerkrankungen besser verstehen und neue Behandlungsmöglichkeiten erforschen.“ Während der Freiburger Teil der Forschungsgruppe anhand der etwa 4.700 Sequenzierungsdaten errechnen konnte, bei welchen genetischen Defekten welche Stoffwechselprozesse beeinflusst werden, konnten die Greifswalder überprüfen, inwiefern ihr virtuelles Modell diese Effekte replizieren und somit vorhersagen kann. „Das klappte bei nahezu 80 %, was sehr erstaunlich war“, hebt Hertel hervor. Dies könne in Zukunft helfen, seltene Gendefekte zu charakterisieren und zur Diagnostik beizutragen.
Quelle: https://doi.org/10.1038/s41588-024-01965-7