Kardiologische Rehabilitation „Hand aufs Herz: Wo funktioniert das denn?“

Autor: Dr. Sascha Gehrken

Dass die kardiologische Reha so erfolgreich ist, liegt unter anderem an den engmaschigen ärztlichen Kontrollen. Dass die kardiologische Reha so erfolgreich ist, liegt unter anderem an den engmaschigen ärztlichen Kontrollen. © simonkr/gettyimages

Die wenigsten Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzschwäche nehmen an einer Kardio-Reha teil. Dabei wird die Maßnahme durchweg empfohlen. Wa­rum ist die Zuweisungsquote so niedrig? Und wie ließe sich die Versorgung verbessern?

Die kardiologische Rehabilitation bei Herzinsuffizienz umfasst multimodale Interventionen in einem multiprofesionellen Team. Klingt sperrig, lässt sich aber auf konkrete Maßnahmen herunterbrechen: Neben Trainingseinheiten erhalten die Patientinnen und Patienten psychosoziale Unterstützung, erlernen einen gesunden Lebensstil und den richtigen Umgang mit ihrer Erkrankung. Darüber hinaus wird die berufliche Wiedereingliederung gefördert und die Herzinsuffizienzmedikation auftitriert. Insbesondere den letzten Punkt hält Prof. Dr. Bernhard Schwaab von der Curschmann Klinik, Timmendorfer Strand, für wichtig. Die Vorgabe „big 4 in 4 weeks“ – also die Etablierung einer leitliniengerechten Pharmakotherapie mit vier Wirkstoffen innerhalb eines Monats – könne man in der Reha gut umsetzen.

Nationale und internationale Leitlinien empfehlen die kardiologische Rehabilitation bei chronischer Herzinsuffizienz durchweg mit hohem Evidenzgrad. Eine Cochrane-Metaanalyse aus dem Jahr 2023 bescheinigte der Maßnahme eine signifikante Reduktion der Hospitalisierungsrate, während die Gesamtmortalität unbeeinflusst blieb.

Eine ähnlich hochwertige Metaanalyse mit zusätzlichen Endpunkten hat die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchgeführt. In ihr zeigte sich bei HFrEF** durch die Reha keine Senkung von Gesamtsterblichkeit und herzinsuffizienzbedingten Einweisungen. „Das hat uns ein bisschen enttäuscht“, gab Prof. Schwaab, der an der Studie beteiligt war, zu. Allerdings stehe für die Betroffenen ohnehin die körperliche Belastbarkeit im Alltag im Vordergrund. Und diese stieg, ebenso wie die Lebensqualität, signifikant an.

Die Evidenzlücke bei gebrechlichen Personen schloss 2021 die randomisierte REHAB-HF-Studie. An ihr nahmen 349 Herzinsuffiziente nach akuter Dekompensation teil. Das Durchschnittsalter lag bei 73 Jahren, 97 % galten als frail oder prefrail (nach Fried). Im Vergleich zur Standardtherapie verbesserte eine zwölfwöchige Reha-Intervention Gleichgewicht, Muskelkraft, Beweglichkeit und Ausdauer. Zudem nahmen Lebesqualität und psychische Gesundheit signifikant zu.

Kontrolltermine, die sich lohnen

Für viele ist die STRONG-HF-Studie der Beleg dafür, dass die leitliniengerechte Herzinsuffizienzmedikation rasch eingeleitet werden sollte. In ihr reduzierte die Auftitrierung von Betablocker, RAS-Hemmer bzw. ARNI und Aldosteronantagonist innerhalb von zwei Wochen nach Klinikentlassung das Sterbe- und Rehospitalisierungsrisiko (SGLT2-Inhibitoren waren eingangs noch nicht zugelassen). Prof. Schwaab aber sieht in der Studie eher einen „Meilenstein für das, was diese Patienten brauchen – nämlich eine engmaschige klinische Kontrolle“.
Ein Blick in die Methodik zeigt, dass die Teilnehmenden in Woche 1, 2, 3 und 6 einen Arzttermin wahrnahmen. Jedesmal erfolgte eine Laborkontrolle sowie eine vollständige körperliche Untersuchung. Die Therapie wurde entsprechend der Befunde (Ödeme etc.) angepasst. Das kostet Zeit, räumte der Referent ein. Und genau diese Zeit nehme man sich in der Reha.

„Wenn man das alles zusammenfasst, haben wir ein hohes Maß an Evidenz für die Teilnahme an einer kardiologischen Rehabilitation“, sagte Prof. Schwaab. In Sachen Effektivität besteht kein Unterschied zwischen Frauen und Männern. Der Kollege führt den Erfolg der Maßnahme u. a. auf die engmaschigen ärztlichen Kontrollen zurück (s. Kasten oben). In einem Positionspapier forderten deutsche Fachgesellschaften bereits 2022, dass bei symptomatischer Herzinsuffizienz innerhalb von sieben Tagen nach stationärem Aufenthalt ein ambulanter Untersuchungstermin erfolgen soll. Doch „jetzt mal Hand aufs Herz: Wo funktioniert das denn?“, fragte Prof. Schwaab. Ihm zufolge gibt es in Deutschland ein massives Umsetzungsproblem.

Nicht zuletzt die Zuweisungsquote lässt zu wünschen übrig. In den Reha-Kliniken liegt der Anteil an Personen mit der Hauptdiagnose Kardiomyopathie oder dekompensierte Herzinsuffizenz zwischen 3,5 % und 17 %. Die Gründe dafür sind vielfältig und mitunter auf Patientenseite zu suchen (s. Kasten unten).

Warum die Kardio-Reha nur in 6 von 170 Fällen erfolgte

Das Universitäre Herzzentrum Lübeck bietet einen Einblick in die Versorgungsrealität in Deutschland. Von 170 konsekutiven Patientinnen und Patienten, die wegen einer kardialen Dekompensation aufgenommen worden sind, verstarben zehn im Krankenhaus. Sechs Personen traten im Anschluss eine kardiologische, 43 eine geriatrische Reha an. Das ergab die ACTIVE-HF-Studie, die Dr. Paitazoglou­ vorstellte. Insgesamt handelte es sich um ein diverses Patientenkollektiv. Hinter der Diagnose I50.1 als Einschlusskriterium verbarg sich in 69 % der Fälle eine sich verschlechternde Herzinsuffizienz (sog. worsening heart failure) und in 26 % eine De-novo-Erkrankung.
Dr. Paitazoglou hob das Durchschnittsalter der Teilnehmenden hervor, das mit 77 Jahren deutlich über dem in randomisierten Studien zu Herzinsuffizienzmedikamenten lag. Dies könnte den hohen Anteil an Personen erklären, die schlicht keine Reha wünschten. Immerhin 52 von 106 Betroffenen, bei denen kein Antrag gestellt wurde, lehnten die Maßnahme ab. „Da sehe ich eine große Option für uns und Kliniken, dass wir mit den Patienten reden und es ihnen schmackhaft machen,“ betonte die Referentin. „Wenn man sich den Barthel-Index anschaut, waren viele auch Kardio-Reha-fähig.“ Schließlich hatten 39 % der Herzkranken einen Index über 70. Laut der Kollegin warte man im Moment jedoch sehr lange auf einen Platz, während die geriatrische Rehabiliation i. d. R. direkt an den Klinikaufenthalt anschließe. Die Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz sieht den Übergang unmittelbar nach Abschluss der stationären Akutbehandlung vor.

Weitere Gründe dafür, dass keine Reha beantragt wurde, waren fehlendes Reha-Potenzial, vorzeitige Entlassung, häusliche Hilfsmittel und organisatorische Hürden. Bei fünf Personen erfolgte keine Anschlussheilbehandlung, obwohl ein Antrag vorlag. In einem dieser Fälle wurde der Antrag abgelehnt.

„Reha vor Rente“ oder „Reha vor Pflege“ auf den Antrag

Ein Kollege aus dem Auditorium gab den Kostenträgern eine Mitschuld. Seiner Erfahrung nach werden Anträge bei Herzinsuffizienz wesentlich häufiger abgelehnt als nach einem Myokardinfarkt. Um dies zu vermeiden, riet Prof. Schwaab zu bestimmten Formulierungen auf dem Antrag. Bei Patientinnen und Patienten im Erwerbsleben sollten die Worte „Reha vor Rente“ nicht fehlen, bei älteren, bereits berenteten Menschen „Reha vor Pflege“.

Laut Prof. Schwaab muss die Rehabilitation in der Behandlung der Herzschwäche einen höheren Stellenwert einnehmen. „Das geht nur in einem Netzwerk“, betonte er. Ein solches Netzwerk wird derzeit z. B. in Norddeutschland aufgebaut. PD Dr. Christina Paitazoglou vom Universitären Herzzentrum Lübeck stellte das Konzept vor. Im Herzinsuffizienz-Netzwerk NORD schließen sich Krankenhäuser, Rehakliniken, Fach- und Hausarztpraxen lokal zusammen. Dadurch verkürzen sich u. a. die Wartezeiten auf einen Facharzttermin und die Reha wird besser in die Versorgung einbezogen.

Zum gegenseitigen Austausch gehören auch Schulungen in ländlicheren Regionen. „Wir wollen einfach lokal die Expertise stärken“, sagte Dr. Paitazoglou. Beispielsweise soll eine eigens erarbeitete SOP*** Hausärztinnen und Hausärzten dabei helfen, die Diagnose Herzinsuffizienz früher zu stellen. Der Algorithmus sieht vor, bei Verdacht das NT-proBNP zu messen und anhand des Laborwertes zu triagieren. Diese und weitere SOPs sind in der App HeartConnect Nord nach Log-in frei verfügbar.

*Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
**heart failure with reduced ejection fraction
***Standard Operating Procedure

Quelle: Medical-Tribune-Bericht