Anzeige

ADHS Kein sehr ausgeprägtes hypersexuelles Verhalten nachgewiesen – zumindest nicht bei Männern

Autor: Friederike Klein

Junge Erwachsene mit ADHS wechseln ihre Partner im Schnitt häufiger. Junge Erwachsene mit ADHS wechseln ihre Partner im Schnitt häufiger. © terovesalainen – stock.adobe.com
Anzeige

Menschen mit ADHS wird oftmals ein hypersexuelles Verhalten nachgesagt. Dies stimmt allerdings nur in Teilen und auch nicht für beiderlei Geschlecht.

Erwachsene Patienten mit ADHS sind froh, wenn das Thema Sexualität angesprochen wird, so die Erfahrung von Dr. Dr. Daniel Turner, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. In der Literatur wird berichtet, dass Menschen mit ADHS im jüngeren Erwachsenenalter mehr sexuelle Partner, häufiger ungeschützten Geschlechtsverkehr und mehr sexuell übertragbare Erkrankungen haben. Auch zu Schwangerschaften bei Jugendlichen kommt es demnach häufiger als bei nicht von ADHS Betroffenen.

Ab Mitte 30 keine Unterschiede mehr

Das alles gleicht sich aber einer aktuellen Studie zufolge im mittleren Erwachsenenalter aus, berichtete Dr. Turner. Die Mainzer Arbeitsgruppe hatte onlinebasiert das sexuelle Verhalten bei 139 Erwachsenen mit ADHS-Diagnose erhoben und mit 67 Probanden ohne ADHS verglichen. In beiden Gruppen waren die Personen zu etwa zwei Drittel weiblich, das durchschnittliche Alter lag bei Mitte 30.

Zum ersten Geschlechtsverkehr kam es bei Frauen mit ADHS früher als bei Frauen ohne diese Diagnose (14,3 Jahre vs. 17,0 Jahre). Bei Männern mit und ohne ADHS gab es diesbezüglich keine Unterschiede. Der Anteil derjenigen mit gleichgeschlechtlichen Erfahrungen lag bei ADHS-Patienten allerdings deutlich höher als in der Kontrollgruppe (48,2 % vs. 23,9 %). „Möglicherweise sind sie einfach offener als Menschen ohne ADHS“, meinte Dr. Turner. 20 Fragen zum sexuellen Risikoverhalten ergaben in der Mainzer Kohorte kein grundsätzlich größeres Risikoverhalten bei ADHS-Patienten.

Jedoch hatten Frauen mit ADHS häufiger Alkohol oder Drogen vor oder während des Sex zu sich genommen als Männer mit ADHS. Eine signifikante Korrelation fand sich zwischen sexuellem Risikoverhalten und der Ausprägung der ADHS-Symptome Impulsivität und oppositionelles Verhalten, ergänzte Dr. Turner.

Hypersexuelles Verhalten nach dem auch in Deutschland validierten internationalen Fragebogen Hypersexual Behaviour Inventory (HBI-19) zeigte sich bei Personen mit ADHS-Diagnose signifikant häufiger, sowohl im Hinblick auf den Gesamtscore als auch bezüglich der Faktoren Sex als Coping bei negativen Emotionen oder Sex wegen Kontrollverlust oder mit negativen Konsequenzen. Dabei war die Gesamt-ADHS-Symptomatik, insbesondere Gemüt, Desorganisiertheit, oppositionelle Symptome und soziale Einstellung, mit hypersexuellem Verhalten assoziiert.

Die weitere Analyse belegte, dass diese Zusammenhänge nur bei Frauen auftraten, bei Männern gab es keinen Zusammenhang von hypersexuellem Verhalten und ADHS-Symptomatik. Unterschiede in Bezug auf sexuelle Funktionsstörungen zwischen Menschen mit und ohne ADHS und Männern und Frauen fanden sich nicht. Dr. Turner resümierte, dass die Unterschiede zwischen Erwachsenen mit und denen ohne ADHS offensichtlich geringer sind als erwartet.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V.-Kongress 2022