
Diagnose und Therapie der GN Neue S3-Leitlinie zu Glomerulonephritiden

Bessere Versorgung für eine unterschätzte Nierenkrankheit
Um die Versorgung zu verbessern, liegt nun erstmals eine S3-Leitlinie vor mit strukturierten, evidenzbasierten Empfehlungen für Diagnostik und Therapie, die auf das deutsche Gesundheitssystem abgestimmt sind. Sie wurde unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) gemeinsam entwickelt mit der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, der Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie, dem Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten, der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin sowie Patientenvertreterinnen und -vertretern vom Bundesverband Niere.
2012 veröffentlichte die gemeinnützige Stiftung KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcomes) die erste S3-Leitlinie für die Therapie von Glomerulonephritiden (GN), die versuchte, den Erfordernissen aller Weltregionen gleicher- Neue S3-Leitlinie zu Glomerulonephritiden maßen gerecht zu werden. Zur Aktualisierung dieser Leitlinien berief KDIGO im Jahr 2017 eine Kontroversenkonferenz über glomeruläre Krankheiten ein mit dem Ziel, Schlüsselfragen und Unsicherheiten zu identifizieren, sowie neue Daten zu sichten, um eine Aktualisierung der Richtlinien vorzubereiten. 2021 wurde das Ergebnis der umfassenden Aktualisierung publiziert und aufgrund der rasanten Entwicklung an zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapien in Einzelkapiteln bereits wieder aktualisiert.
Ausgehend von dieser internationalen Leitlinie wurde nun erstmals eine deutsche S3-Leitlinie mit auf das deutsche Gesundheitswesen zugeschnittenen Empfehlungen zur Diagnose und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit GN erstellt.
Klare Standards für Diagnose und Nierenschutz
Bei Glomerulonephritiden kommt es aus unterschiedlichen Gründen zu einer Entzündung der etwa eine Million Nierenkörperchen (Glomeruli) pro Niere. Diese sind dann nur noch eingeschränkt in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen, nämlich Schadstoffe aus dem Blut zu filtern und sie über den Urin auszuscheiden. Oft treten zunächst kaum Symptome auf, während sich bereits eine chronische Nierenkrankheit (CKD) entwickelt. Deshalb werden GN oft erst diagnostiziert, wenn die Nieren bereits irreversibel geschädigt sind. Hinzu kommt, dass zunächst auch nicht unbedingt an eine GN gedacht wird.
„Die einzelnen Formen der Glomerulonephritiden sind für sich genommen selten“, sagt Professorin Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Direktorin der I. Medizinischen Klinik (Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation) am Universitätsklinikum Mainz und Koordinatorin der Leitlinie. Sie ergänzt: „Aber in ihrer Summe sind die GN hochrelevant.“ Zu den Formen der GN zählen unter anderem: Immunglobulin- A-Nephropathie (IgAN), membranöse Glomerulonephritis (MGN), membranoproliferative GNs, das Goodpasture-Syndrom, Lupusnephritis und ANCAassoziierte Vaskulitis.
Die Leitlinie verfolgt das Ziel, Versorgungsunsicherheiten durch evidenzbasierte Standards zu beseitigen. Ein strukturiertes und abgestimmtes Vorgehen erhöht nicht nur die Patientensicherheit, sondern verbessert auch relevante Endpunkte wie Nierenfunktionserhalt und Lebensqualität. Die sektorenübergreifende Kommunikation zwischen Hausärzten, Fachärzten und spezialisierten Zentren steht dabei im Fokus – sowohl in der initialen Diagnostik als auch in der langfristigen Therapiebegleitung.
Diagnostik und therapeutische Prinzipien
Zunächst werden ein allgemeines diagnostisches Vorgehen bei glomerulären Erkrankungen sowie generelle Prinzipien zur Behandlung der CKD empfohlen. Dazu gehören die Abschätzung der Nierenfunktion anhand des Kreatininwerts im Blut, eine Urindiagnostik zur Proteinbestimmung und eine Ultraschalluntersuchung. Eine Nierenbiopsie gilt als Standard, kann in Einzelfällen aber durch klinische Befunde ersetzt werden. Die Diagnosesicherung erfolgt häufig im Zusammenspiel mit weiteren Laborwerten, etwa Antikörpern.
Im nächsten Schritt empfiehlt die Leitlinie eine Basistherapie zum Nierenschutz, die sogenannte CKD-Therapie. Dazu gehören beispielsweise RAS-Inhibition sowie SGLT2-Inhibitoren und gegebenenfalls entwässernde Pharmazeutika. Darauf basierend werden spezifische Behandlungsstrategien für die wichtigsten Unterformen vorgeschlagen.
Kinder und Jugendliche mit GN bilden einen besonderen Schwerpunkt
Die Leitlinie berücksichtigt im Besonderen auch die bei Kindern und Jugendlichen auftretenden Formen des nephrotischen Syndroms. Auf Biopsien wird hierbei möglichst verzichtet. Die Behandlung beginnt in der Regel mit Glukokortikoiden. Falls nötig, kommen auch steroidsparende Medikamente oder moderne Antikörpertherapien, wie beispielsweise Rituximab, in Betracht. Kinder, die an einem nephrotischen Syndrom erkranken, sollten frühzeitig von spezialisierten Kindernephrologinnen und -nephrologen behandelt werden.
Lebensstil, Prävention – und der Blick in die Zukunft
Neben Medikamenten betont die Leitlinie auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie eine salzarme Ernährung, Rauchverzicht, Bewegung sowie Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und Herpes Zoster für immungeschwächte Patientinnen und Patienten. Gleichzeitig mahnt die DGfN mehr Forschung an, denn in vielen Bereichen, insbesondere zu genetischen Varianten und Biomarkern, bleibt die Studienlage begrenzt. „Wir brauchen ein Deutsches Zentrum für Nierengesundheit (DZNG)”, fordert Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der DGfN. „So können wir die Forschung zu diesem Thema durch Vernetzung vorantreiben, Lebenserwartung und -qualität der betroffenen Menschen weiter verbessern und Kosten im Gesundheitswesen senken.“
S3-Leitlinie ist Meilenstein für die nephrologische Versorgung
„Eine GN kann man noch nicht für immer heilen. Man kann sie aber weitgehend zum Stillstand bringen“, sagt Weinmann-Menke. „Unser Ziel ist es, die Diagnostik und Therapie von GN auf hohem Niveau zu vereinheitlichen und damit die Prognose der Betroffenen zu verbessern. Denn die volkswirtschaftliche Bedeutung der GN ist groß. Die Veröffentlichung der S3-Leitlinie markiert deshalb einen Meilenstein für die nephrologische Versorgung in Deutschland und setzt neue Standards für die Diagnostik und Therapie von GN.“
Quellen: (1) S3-Leitlinie: “Diagnose und Therapie von Glomerulonephritiden (S3-GN)”, Auflage/Version Datum: März 2025, V01: https:// register.awmf.org/de/leitlinien/detail/090-003 DGfN, Pressemitteilung vom 26.06.2025