Anzeige

Operationsindikationen beim Bauchaortenaneurysma

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Für die operativen Eingriffe sind umfangreiche „Aortskenntnisse“ wichtig. Für die operativen Eingriffe sind umfangreiche „Aortskenntnisse“ wichtig. © iStock/ttsz
Anzeige

Die Zeit des Beobachtens ist vorbei. Jetzt muss die Gefahr einer Ruptur gebannt werden. Welche Konditionen setzen das Signal für einen Eingriff jeweils auf „Grün“?

Die Behandlung eines asymptomatischen abdominalen Aortenaneurysmas (AAA) hängt in erster Linie von Größe und Rupturgefahr ab. Letztere muss selbstverständlich gegen das Risiko einer prophylaktischen Operation abgewogen werden, heißt es in der aktuellen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG). Außer Zweifel steht, dass bei einer Größenzunahme > 1 cm/Jahr eine Versorgung indiziert ist – unabhängig vom Durchmesser des Aneurysmas.

Frauen ab 5 cm in den OP, Männer ab 5,5 cm

Die aktuellen Daten stützen bei in­frarenalem oder juxtrarenalem AAA die Strategie, bei Männern eine elektive invasive Versorgung erst ab einem Durchmesser von 5,5 cm zu starten und Frauen – aufgrund des erhöhten Rupturrisikos – ab einem Durchmesser von 5 cm zu operieren. Laut der Leitlinie könnte man auch bei Männern schon ab 5 cm eine Aortenreparatur erwägen, allerdings gibt es bisher keinen Hinweis, dass eine sofortige Operation kleiner Aneurysmen einen Vorteil bringe.

Für die operativen Eingriffe sind umfangreiche „Aortskenntnisse“ wichtig. Bei juxtarenalen AAA eignet sich der Aneurysmahals in der offenen Chirurgie beispielsweise nicht mehr für ein Ausklemmen der Gefäßaussackung.

Komorbiditäten, die berücksichtigt werden müssen

  • Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz oder sauerstoffpflichtiger COPD haben keinen gesichterten Nutzen durch die Aortenreparatur
  • Bei Verdacht auf pulmonale Erkrankung sollte eine Lungenfunktionsuntersuchung erfolgen
  • Im Falle einer EVAR brauchen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion eine prä- und postinterventionelle Hydrierung
  • Erscheint der Patient für eine offene Gefäßrekonstruktion nicht gesund genug, sollte das Risiko des Eingriffs gegen die generelle Lebenserwartung abgewogen werden

Die Wahl des Verfahrens sehen die Autoren der Leitlinie dem Arzt überlassen. Vorausgesetzt wird allerdings, dass die Versorgung des Bauch­aortenaneurysmas wenn möglich in einem spezialisierten Zentrum erfolgt. Bei Patienten mit akzeptablem periprozedualem Risiko können sowohl endovaskuläre Aortenreparatur (EVAR) und offene Reparatur (OR) in gleicher Weise empfohlen werden, schreiben die Experten – sofern die anatomische Machbarkeit einer EVAR besteht. Der Stellenwert der laparoskopischen Versorgung ist dagegen ungeklärt. Ähnliches gilt für die Versorgung sakkulärer Aneurysmen – hierzu gibt es derzeit keine Daten bezüglich OP-Indikationen. Die von der Leitlinie gegebenen Empfehlungen gelten nur für fusiforme Aneurysmen. In die Entscheidung über das genaue Vorgehen sollte auch der Patient mit eingebunden werden. Im Gespräch können Sie die Präferenzen herausfinden, natürlich unter Voraussetzung einer ausführlichen Aufklärung über die Unterschiede im periprozedualen Verlauf, der Reinterventionshäuftigkeit, der Nachsorge und der aneurysmabezogenen Langzeitsterblichkeit. Tendenziell wird bis zu einem Jahr nach dem Eingriff für EVAR im Vergleich zur OR ein Vorteil in der Lebensqualität gesehen. Vor einem invasiven Eingriff empfiehlt die Leitlinie bei Patienten mit AAA Bilddiagnostik (CT inkl. Thorax und Duplexsonographie), um Komplika­tionen (z.B. Stenose der A. carotis) rechtzeitig zu identifizieren.

Wen operiert man wann?

  • Patienten mit akuter Ruptur müssen unverzüglich operiert werden n Patienten mit symptomatischen AAA (EVAR bevorzugt) werden zum nächsten Termin versorgt
  • Patienten mit einer AAA-Größenzunahme von 10 mm/Jahr unabhängig von AAA-Durchmesser (offen oder EVAR; erhöhte Rupturgefahr)
  • Ein infrarenales oder juxtrarenales AAA ab 5,5 cm (Mann) Durchmesser muss elektiv versorgt werden; Frauen ab 5 cm (offen oder EVAR)
  • Versorgung bei Patienen mit infrarenalem oder juxtrarenalem AAA kann ab einem Durchmesser von 5,0 (bis 5,4) erwogen werden (offen oder EVAR)

Koronarrevaskularisation vor dem Eingriff meist ohne Vorteil

Sollte man bei der Aortenreparatur von Patienten mit einer KHK zunächst die Koronarien sanieren? In einer randomisierten Studie beeinflusste die Koronarrevaskularisation vor einem großen elektiven Gefäßeingriff die Langzeitprognose nicht. Deshalb raten die Autoren kardial stabilen Patienten von dieser Maßnahme ab. Sinnvoll erscheint eine vorangehende Koronarrevaskularisation bei Patienten mit akutem Herzinfarkt, instabiler A. pectoris oder stabiler Angina bei Erkrankung des linken Hauptstamms bzw. Dreigefäßerkrankung. Ein rupturiertes abdominales Aortenaneurysma stellt allerdings in jedem Fall eine Notsituation dar und muss sofort invasiv versorgt werden. Je nach hämodynamischem Zustand mit (stabil) oder ohne (instabil) vorherige Notfall-CT. Dabei stellt auch eine präoperative Reanimation keine Kontraindikation dar, betonen die Autoren der Leitlinie. Sie raten auch bei der Diagnose eines symptomatischen AAA sofort operativ – in diesem Fall aber sofern möglich endovaskulär – einzugreifen.

Quelle: Debus ES et al. „S3-Leitlinie zu Screening, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Bauch­aortenaneurysmas“, AWMF-Registernummer 004-14, www.awmf-org