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Polyzystisches Ovarialsyndrom: Gründliche Differenzialdiagnostik bei Zyklusstörungen und Hirsutismus nötig

Autor: Maria Weiß

Häufig ist die PCOS-Diagnose falsch und stigmatisiert die Frauen unnötig. Häufig ist die PCOS-Diagnose falsch und stigmatisiert die Frauen unnötig. © iStock/Shidlovski
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Die Diagnose polyzystisches Ovarialsyndrom wird oft fälschlicherweise gestellt. Das liegt daran, dass einige Ärzte voreilig handeln und andere Ursachen nicht ausschließen, beanstandet ein Kollege.

Bei jungen Frauen sollte die Diagnose polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) nicht allzu leichtfertig gestellt werden. Häufig ist diese Diagnose falsch und stigmatisiert die Frauen unnötig, sagte Professor Dr. Michael Ludwig, niedergelassener Gynäkologe aus Hamburg.

Anti-Müller-Hormon kein gutes Unterscheidungsmerkmal

Wie aus einer Metaanalyse hervorgeht, wird unter Anwendung der Rotterdam-Kriterien bei 12 % der Frauen die Diagnose PCOS gestellt. Bezieht man die Sono mit ein (NIH*-Kriterien), sind es 7 %. Besonders oft komme es wahrscheinlich bei Frauen mit hypogonadotropen Hypogonadismus zu einer falschen Diagnose: Werden andere Ursachen der Follikelreifungsstörung hier nicht ausgeschlossen, erfüllen 36 % der Frauen die Rotterdam-Kriterien (Zyklusstörung, Anovulation, Hyperandrogenämie) und 12 % die NIH-Kriterien. Auch das Anti-Müller-Hormon ist hier kein gutes Unterscheidungsmerkmal, da es bei hypogonadotropen Hypogonadismus ebenfalls erhöht sein kann.

Die Ursache der Überdiagnosen sieht Prof. Ludwig vor allem darin, dass das Kleingedruckte nicht richtig gelesen wird. Eine PCOS-Diagnose soll bei Oligoamenorrhö/Amenorrhö oder Anovulation plus Hyperandrogenämie bzw. Androgenisierungserscheinungen nur gestellt werden, „wenn andere Ursachen ausgeschlossen wurden“. Bei adipösen jungen Frauen sorgen z.B. häufig zentrale Regulationsstörungen für Oligo- oder Amenorrhö.

Welche Auswirkungen hat eine solche Diagnose für die Betroffenen? Ihr Gesundheitsverhalten ändern junge Frauen Anfang 20 zumindest nicht. Nach einer australischen Untersuchung bleiben Ernährungsverhalten und körperliche Aktivität über zwölf Monate gleich. Allerdings setzten Betroffene dreimal häufiger als andere junge Frauen orale Kontrazeptiva ab, obwohl diese beim polyzystischen Ovarialsyndrom eigentlich eine gute Option sind.

Über ihre Gründe kann der Referent nur spekulieren. Möglicherweise schätzten sie ihre Fertilität (nachdem sie PCOS gegoogelt haben) als sehr eingeschränkt ein und glauben, einen möglichen Kinderwunsch zügig umsetzen zu müssen, um überhaupt eine Chance zu haben. Damit liegen sie aber falsch. Nach einer schwedischen Registerstudie mit über 45 000 Frauen mit PCOS und über 217 000 Kontrollen ist die kumulierte Fruchtbarkeit in beiden Gruppen mit etwa 80 % ähnlich.

PCOS-Patientinnen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes zwar ein kleines bisschen älter (28 vs. 27 Jahre), der Anteil an über 35-jährigen Erstgebärenden ist etwas höher (4,8 % vs. 2,3 %) und sie benötigen häufiger medizinische Unterstützung bei der Empfängnis. Am Ende des Tages gehen sie aber genauso häufig mit einem eigenen Kind nach Hause wie endokrinologisch gesunde Frauen, sagte der Gynäkologe.

* National Institutes of Health

Quelle: 1. Endokrinologie-Update-Seminar