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Flüssigkeitsversorgung bei Sterbenden Pro und kontra Hydratation

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Um über die Flüssigkeitszufuhr im Sterbeprozess zu entscheiden, sollten Ärzt:innen neben medizinischen Fakten auch die Wünsche der Betroffenen und Angehörigen miteinbeziehen. Um über die Flüssigkeitszufuhr im Sterbeprozess zu entscheiden, sollten Ärzt:innen neben medizinischen Fakten auch die Wünsche der Betroffenen und Angehörigen miteinbeziehen. © CameraCraft – stock.adobe.com
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Patienten darf man nicht verdursten lassen – aber gilt das auch für Sterbende? Über den Sinn und Unsinn der assistierten Flüssigkeitszufuhr in der allerletzten Lebensphase.

Die Entscheidung, einen sterbenden Patienten künstlich mit Flüssigkeit zu versorgen oder ebendieses zu unterlassen, ist komplex. Zu berücksichtigen sind neben den medizinischen Befunden die persönlichen Einstellungen und Wünsche des Patienten selbst, die seiner Angehörigen und die des Klinikpersonals, schreibt ein Autorentrio um Prof. Dr. Andrew­ Davies­ vom Dubliner Trinity­ College­. 

Keine allgemeingültigen Empfehlungen

Auf evidenzbasierte Empfehlungen lässt sich in dieser Frage kaum zurückgreifen, zu widersprüchlich sind die Studiendaten. Ein Cochrane-Review von 2014 zeigte vereinzelte positive Effekt, ebenso eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021. Insgesamt lassen sich aber keine allgemeingültigen und eindeutigen Empfehlungen ableiten, so die Autoren. 

Dabei kann es sowohl für den Betroffenen selbst als auch für die Angehörigen und das Klinikpersonal einen großen Unterschied bedeuten, ob am Lebensende assistiert – also intravenös, subkutan oder auch per Magensonde – Flüssigkeit gegeben wird, machen Prof. Davies­ und Kollegen deutlich. Die positiven Effekte für den Patienten umfassen ein verbessertes Wohlbefinden aufgrund von geringerem Durstgefühl und weniger Mundtrockenheit. Auch lässt sich durch ausreichende Zufuhr die Nierenfunktion des Sterbenden bestmöglich erhalten, was einen gewissen Schutz vor der Akkumulation von toxischen Metaboliten verspricht, die beispielsweise ein Delir­ auslösen könnten.

Auf der anderen Seite haben die im Rahmen der Dehydratation entstehenden Ketone womöglich analgetische und sedierende Effekte, die dem Sterbenden helfen würden. Eindeutig negative Auswirkungen  der assistierten Flüssigkeitsgabe sind die erhöhten Risiken für periphere Ödeme, für Lungenödem und kardiale Dekompensation. Zudem besteht die Gefahr, dass vermehrt Sekrete in die Atemwege gelangen oder dass es zum Erbrechen kommt.

Gemeinsam mit Patient und Angehörigen entscheiden 

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, schlagen die Autoren Folgendes vor: Falls weder eine klare Indikation wie eine maligne Hyperkalzämie noch eine eindeutige Kontraindikation, z.B. eine symptomatische Flüssigkeitsüberladung, besteht, sollten Ärzte das Thema mit dem Betroffenen und seinen Angehörigen besprechen und die Vor- und Nachteile der Flüssigkeitszufuhr klar benennen.

In die Entscheidung, die assis­tierte Hydratation zu beginnen oder sie ggf. zu beenden, sollten neben den medizinischen Fakten auch psychologische und soziale Aspekte sowie die religiösen und spirituellen Sichtweisen des Patienten und der Angehörigen einfließen. Grundsätzlich sind die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Wird eine künstliche Flüssigkeitszufuhr begonnen, sollten zweimal täglich die Wirkung der Maßnahme und mögliche Komplikationen überprüft werden.

Quelle: Davies A et al. BMJ 2023; 380: e072116; DOI: 10.1136/bmj-2022-072116