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Migräne Studie zeigt Anstieg der Schmerzschwelle nach Riechtraining

Neurowoche 2022 Autor: Manuela Arand

In der MRT fanden die Dresdner Neurologen bei Migränekranken eine linksbetonte Atrophie im Bulbus olfactorius. In der MRT fanden die Dresdner Neurologen bei Migränekranken eine linksbetonte Atrophie im Bulbus olfactorius. © Damir Khabirov – stock.adobe.com
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Zwischen Geruchswahrnehmung und Migräne besteht ein Zusammenhang. So reagieren manche Patienten während eines Migräneanfalls höchst empfindlich auf bestimmte Gerüche, bei anderen werden die Attacken olfaktorisch getriggert.

Gerüche können Migräneattacken triggern, und viele Patienten schildern eine Osmophobie vor und während der Attacke, berichtete PD Dr. Gudrun Goßrau, Universität Dresden. Sie hatte 113 Patienten, darunter 50 mit Aura, nach ihren Erfahrungen mit Gerüchen befragt. Jeder Dritte beklagte geruchsgetriggerte Attacken, zwei von drei erklärten, sie seien während der Anfälle besonders empfindlich gegenüber Gerüchen. Das Spektrum der als unangenehm empfundenen Gerüche reichte von Zigarettenrauch, Abgasen und Lösungsmitteln bis hin zu Essensgerüchen, Parfüm und Blumen. 

Patienten mit Osmophobie empfanden ihre Migräne als besonders belastend. Umgekehrt zeigten Patienten mit subjektiv hoher Krankheitslast gehäuft eine Osmophobie. Starke Geruchsempfindlichkeit könne ein Chronifizierungsmarker sein, vermutete Dr. Goßrau. Paradox erscheint, dass Migränepatienten mit Osmophobie keineswegs einen besonders guten Geruchssinn aufweisen – im Gegenteil: In olfaktorischen Tests zeigen sie sogar einen schlechteren Riecher als Gesunde. Das gilt ganz besonders für diejenigen mit Aura, bei denen die Riechschwelle noch einmal deutlich höher liegt als bei Patienten ohne Aura. 

In der MRT fanden die Dresdner Neurologen bei Migränekranken eine linksbetonte Atrophie im Bulbus olfactorius. Zwischen dem olfaktorischen System und dem Trigeminus besteht eine enge funktionelle Verbindung, erläuterte Dr. Goßrau. Unter anderem finden sich CGRP-positive trigeminale Fasern im Riech­epithel. 

Was Riechtraining bewirken kann, haben die Kollegen in einer placebokontrollierten Studie an 80 Migränepatienten untersucht. Die Verumgruppe absolvierte ein Riechtraining mit angenehm duftenden Sticks, wie sie auch für Riechtests verwendet werden. Jeder Patient durfte drei Düfte aussuchen und war angehalten, morgens und abends jeweils 20 Sekunden daran zu schnuppern. Prüfparameter waren Kopfschmerztagebuch, die Scores Midas und DASS, qualitative sensorische Tests und ein Test auf Riechschwelle, Diskrimination und Identifizierung von Gerüchen. Nach drei Monaten zeigte die Verumgruppe einen signifikanten Anstieg der Schmerzschwelle in trigeminalen Arealen und ein  deutlich verbessertes Riechvermögen. In der Kontrollgruppe verliefen alle Tests unverändert. Bei Patienten mit Aura reduzierte das Riechtraining sogar die Zahl der Attacken. 

Dr. Goßrau hofft, dass Riechtraining eine neue Form der nicht-medikamentösen Kopfschmerztherapie sein kann. Außerdem erscheint es ihr denkbar, dass regelmäßiges Training eine Desensitisierung herbeiführt, die der Chronifizierung vorbeugt. Resultate einer weiteren Studie weisen darauf hin, dass beides nicht nur für die Migräne gilt, sondern auch für andere Kopfschmerzformen.

Kongressbericht: NEUROWOCHE 2022