Mitreisende im Gehirn Welche Infektionen man sich zu Hause und im Urlaub in Europa einfangen kann

Autor: Dr. Anja Braunwarth

In Deutschland wieder schwer im Kommen sind die Masern. In Deutschland wieder schwer im Kommen sind die Masern. © Olga Koroleva - stock.adobe.com

Es gibt weltweit eine Reihe von Krankheitserregern, die das Gehirn schwer in Mitleidenschaft ziehen können. Und sie lauern nicht nur in exotischen Gefilden, sondern auch bei uns und in vielen anderen europäischen Ländern.

Über einen 34-jährigen Patienten, der sich mit starken Kopf- und Nackenschmerzen in der Notaufnahme vorstellte, berichtete Dr. Susanne Dyckhoff-Shen von der Neurologie am Klinikum der LMU München. Er fühlte sich abgeschlagen und hatte Fieber bis 39,4 ° C gemessen. Vor drei Wochen war er zum Wandern in Österreich gewesen. 

Bei der körperlichen Untersuchung fiel ein leichter Meningismus auf, im Liquor eine deutlich erhöhte Zellzahl (102 / µl). Das Ärzteteam hatte rasch den Verdacht auf eine akute FSME-Infektion, der sich durch einen positiven Antikörperbefund (IgM und IgG) in Serum und Liquor bestätigte.

Das FSME-Virus ist in Mittel- und Osteuropa beheimatet, die Infektion hat eine Letalität von 1 %. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 554 Erkrankungen verzeichnet. Nach einer grippeähnlichen ersten Phase folgen die Symptome der Entzündung von Meningen, Gehirn oder Rückenmark, z. B. Vigilanzminderung, (Hirnnerven-)Paresen oder Ataxie. Wie bei vielen viralen Erregern steht keine spezifische Therapie zur Verfügung, umso mehr Bedeutung hat die Impfung beim Aufenthalt in Risikogebieten, mahnte Dr. Dyckhoff-Shen.

In Deutschland wieder schwer im Kommen sind die Masern. Die Zahl der Fälle stieg von 15 im Jahr 2022 auf 360 im Jahr 2024 (Stand September). Zu ihren Komplikationen gehören die postinfektiöse Enzephalitis und die subakute sklerosierende Panenzephalitis. Auch für diese nicht gezielt behandelbare Infektion gilt: die Impfung wahrnehmen!

West-Nil-Fieber verläuft bei 80 % der Fälle asymptomatisch

Weder Therapie noch Vorbeugung gibt es für das West-Nil-Fieber. Ursprünglich aus den Tropen stammend hat es sich inzwischen in den Mittelmeerländern, vor allem in Italien, angesiedelt. Bei 80 % der Betroffenen verläuft es asymptomatisch, bei 1 % kommt es aber zu einer ZNS-Beteiligung mit Meningitis oder Enzephalitis und einer Letalität von 5 – 10 %.

Sehr selten wird hierzulande das Sandfliegenfieber beobachtet, im Jahr 2022 waren es zwei Fälle. Das auslösende Virus ist in den Mittelmeerländern verbreitet, gehäuft in der Toskana und im Balkan. Symptome sind Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, bei der Toskana-Variante eventuell eine Meningitis oder Enzephalitis mit guter Prognose. Die Therapie erfolgt symptomatisch. 

Die Brucellose kann man sich vor allem in der Türkei, Italien, Bosnien und Dänemark einfangen. Zu 90 % verläuft sie subklinisch, ansonsten präsentiert sie sich akut mit Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und Müdigkeit. Wenn sie chronifiziert, kann sie neben Knochen, Leber oder Herz unter anderem auch die Meningen befallen, die Letalität beträgt 2 %. Die Behandlung erfolgt mit Rifampicin und Doxycyclin über sechs bis zwölf Wochen.  

Die Inzidenz von Meningokokkeninfektionen des ZNS liegt in Deutschland bei 0,4/100.000, wobei B-Meningokokken mit 61 % dominieren. 2022 wurden 141 Fälle in Deutschland berichtet, acht davon kamen aus dem europäischen Ausland, 13 Menschen starben daran. Die Letalität der Meningokokkenmeningitis liegt bei 1 %. Kommt es zur Sepsis mit Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, steigt sie auf 33 %. Behandelt wird mit Ceftriaxon, zur Postexpositionsprophylaxe eignen sich Ceftriaxon, Rifampicin und Ciprofloxacin. 

Pneumokokkeninfektionen haben eine Inzidenz von 0,4–20/100.000 Einwohner, sie können ebenfalls aufs Gehirn übergreifen. Zunehmende Antibiotikaresistenzen erschweren die Therapie. Für ambulant erworbene Meningitiden bei Immunkompetenten raten die Leitlinien zu Cephalosporinen der Gruppe 3a plus Ampicillin, nach neurochirurgischen Operationen, Schädel-Hirn-Traumata, Shunt-Infektionen oder bei Immunsupprimierten zu Vancomycin plus Meropenem oder Ceftazidim. 

Rasch eine Lumbalpunktion im Verdachtsfall durchführen

In Regionen mit hohen Resistenzraten gegen Cephalosporine – z . B. Frankreich, Spanien, Australien oder Südafrika – wird bereits initial eine Kombination aus Ceftriaxon und Ampicillin mit Vancomycin oder Rifampicin empfohlen.

Prof. Dr. Uta Meyding-Lamadé von der Klinik für Neurologie am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt betonte noch einmal die Gefährlichkeit einer akuten bakteriellen Meningitis. Beim Verdacht darauf gilt es daher, keine Zeit zu verlieren und so rasch wie möglich eine Lumbalpunktion durchzuführen sowie eine empirische Antibiose mit Ceftriaxon, Ampicillin und Dexamethason einzuleiten. Mit einer Ausnahme: Liegen akute Krampfanfälle oder schwere Bewusstseinsstörungen vor, muss vor der Punktion eine Bildgebung erfolgen.

Quelle:  Kongressbericht, Arbeitstagung Neurointensivmedizin 2025