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Bikuspide Aortenklappe und Aneurysmen Wie häufig sind chirurgische Eingriffe und wie steht es um die Prognose?

Autor: Dr. Sascha Gehrken

Unter bestimmten Voraussetzungen ist bei einer bikuspiden Aortenklappe eine prophylaktische Operation zu erwägen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist bei einer bikuspiden Aortenklappe eine prophylaktische Operation zu erwägen. © Наталья Евтехова – stock.adobe.com
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Bei einer bikuspiden Aortenklappe drohen auf lange Sicht Aneurysmen und/oder Dissektionen. Neuere Daten beziffern das Risiko genau und sichern die Leitlinienindikation zur prophylaktischen Operation ab.

Neben klappenbezogenen Komplikationen wie Insuffizienz, Stenose oder Endokarditis können Patienten mit bikuspider Aortenklappe behandlungsbedürftige Aortenaneurysmen entwickeln. Die europäische Leitlinie nennt unabhängig vom Ausmaß der Regurgitation zwei Durchmesser, ab denen man bei Aussackungen der Aortenwurzel oder der A. ascendens eine prophylaktische Operation erwägen sollte (s. Kasten). „Diese Empfehlungen stehen eigentlich auf relativ schwacher Evidenz“, sagte Prof. Dr. Helmut Baumgartner von der Universitätsklinik Münster. Man sei froh über jede weitere Studie, die neue Informationen zum Risiko der Aortenkomplikationen liefert.

Prophylaktisch operieren?

Findet sich bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe ein Aneurysma, sollte ab einem Durchmesser ≥ 55 mm eine prophylaktische OP erwogen werden. Ein Eingriff kommt bereits ab 50 mm infrage, wenn eine Isthmusstenose oder weitere der folgenden Risikofaktoren vorliegen:

  • Aortendissektion in der Familienanamnese
  • schwere Aorten- oder Mitralinsuffizienz
  • Schwangerschaftswunsch
  • unkontrollierte arterielle Hypertonie
  • Progression > 3 mm/Jahr

Ab einem Diameter ≥ 55 mm steigt Dissektionsrate deutlich

Der Kollege stellte in diesem Zusammenhang gleich zwei Untersuchungen vor. In einer retrospektiven Studie mit 875 Patienten mit bikuspider Klappe und Aneurysma fand sich eine sehr niedrige Dissektionsrate von absolut 1,8 %, wenn der Diameter zwischen 50 und 54 mm lag. Einen solchen Wert wiesen 721 Teilnehmer auf. Jeder Dritte von ihnen wurde innerhalb von drei Monaten operiert, die übrigen 496 über ein medianes Follow-up von 7,5 Jahren weiter beobachtet. Diejenigen, die sich im Verlauf einer OP unterzogen (n = 266), hatten eine chirurgische Mortalität von 1,9 %. Prof. Baumgartner zufolge bestätigen die Ergebnisse, „dass man bei diesen Durchmessern auf alle Fälle noch zurückhaltend sein soll.“ Anders bei Werten ≥ 55 mm: Von 51 Betroffenen erlitten 5,9 % eine Aortendissektion.

Eine weitere Studie stach heraus, weil sie mit 19,1 Jahren die längste mediane Beobachtungszeit bei bikuspider Aortenklappe umfasst. 652 konsekutive Patienten nahmen teil, die Diagnose erfolgte im medianen Alter von 37 Jahren. Kalkuliert wurden die kumulativen Inzidenzen der klinischen und chirurgischen Morbidität von Geburt bis 90 Jahre. 

Demnach ereignen sich über die gesamte Lebenszeit mit hoher Wahrscheinlichkeit relevante Komplikationen: In 80 % der Fälle ensteht eine mindestens moderate Aortenstenose oder -insuffizienz, bei 75 % ein Aortenaneurysma ≥ 45 mm. Eine infektiöse Endokarditis betrifft 6 %, Aortendissektionen treten seltener auf (2 %). Etwa zwei Drittel haben mit 90 Jahren einen Klappeneingriff hinter sich, bei jedem Vierten wurde ein Aneurysma operativ behandelt.

Prof. Baumgartner hob noch einen anderen Aspekt der Studie hervor, der „für die Aufklärung unserer Patienten eine Hilfe ist“. Prognostisch wurde zwischen typischer und komplexer Valvulo-Aortopathie unterschieden. Zu „komplex“ zählten Teilnehmer mit schwerer Isthmusstenose, genetischen Syndromen, assoziierten komplexen angeborenen Herzfehlern sowie diejenigen, die bereits vor dem 31. Lebensjahr ein relevantes Aortenvitium oder Aneurysma hatten.

Zog man die insgesamt häufigere typische Präsentation heran, ergab sich im Vergleich zu einer alters- und geschlechtsgematchten Gesamtbevölkerung keine erhöhte Mortalität. „Man kann also diesen Patienten versichern, dass sie eigentlich eine normale Lebenserwartung haben“, konstatierte der Kollege. Die komplexe Ausprägung ging zwar mit einer signifikant erhöhten Sterblichkeit einher (Risk Ratio 2,25). Trotzdem sei der Langzeitverlauf auch in dieser Gruppe „erfreulich gut“.

Quelle: 19. DGK-Kardiologie-Update-Seminar