Hypertrophe Kardiomyopathie

Definition

Nach der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) ist die Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) definiert durch den Nachweis einer erhöhten linksventrikulären Wanddicke, die nicht allein durch pathologische Füllungsdrücke des linken Ventrikels erklärt ist. Bei bis zu 60% der heranwachsenden und erwachsenen HCM-Patienten liegt ein autosomal-dominanter Erbgang mit Mutationen in kardialen Sarkomerprotein-Genen vor. 5 bis 10% der Fälle bei Erwachsenen sind durch andere genetische Störungen wie angeborene metabolische und neuromuskuläre Erkrankungen verursacht, und einige Patienten haben nichtgenetische Erkrankungen, die eine genetische Form der Erkrankung nachahmen.

ICD10-Code: I42.1-I42.2

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Symptomatik

Viele Patienten sind über einen langen Zeitraum beschwerdefrei. Fakultative, vor allem unter Belastung auftretende Symptome sind Dyspnoe, Angina pectoris, Palpitationen, Schwindel und Synkopen.

Die dramatischste Manifestation der HCM stellt der plötzliche Herztod dar, häufig bei jungen, zuvor vollständig asymptomatischen Patienten. Der Tod tritt dabei vor allem während oder nach starker körperlicher Belastung auf und wird durch maligne Arrhythmien erklärt. Die HCM gilt als eine der häufigsten Ursachen für den plötzlichen Herztod bei jungen Sportlern.

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Untersuchung

Anamnese

Die sorgfältige Anamnese erfasst mögliche Symptome des Patienten. Besonders wichtig ist die Familienanamnese: Die Erstellung eines Stammbaums über drei bis vier Generationen trägt zur Bestätigung einer genetischen Erkrankung bei und hilft bei der Identifizierung potenziell gefährdeter Familienmitglieder.

Körperliche Untersuchung

Bestimmte nicht kardiale Zeichen können auf spezifische Erkrankungen hinweisen (z.B. Muskelschwäche als Symptom einer mitochondrialen Erkrankung oder Glykogenspeicherkrankheit, Gangstörung bei Friedreich-Ataxie), die mit einer HCM assoziiert sein können.

EKG und Langzeit-EKG

Das 12-Kanal-Standard-EKG gibt wichtige Hinweise für die Diagnose sowie zur regionalen Verteilung einer Hypertrophie und myokardialen Vernarbung. Bei HCM werden u.a. Linkshypertrophiezeichen, linksanteriorer Hemiblock, ventrikuläre Arrhythmien und QT-Zeitverlängerung beobachtet.

Darüber hinaus kann das Standard-EKG Informationen über die zugrundeliegende Ätiologie liefern (z.B. Präexzitation oder extrem hohe QRS-Amplituden bei Speicherkrankheiten wie M. Pompe.

Die Leitlinien empfehlen ein 48-h-Langzeit-EKG bei der initialen klinischen Beurteilung zum Nachweis von atrialen und ventrikulären Rhythmusstörungen. Dies trägt zur Abschätzung des Risikos für einen plötzlichen Herztod und einen Schlaganfall bei.

Echokardiographie

Mithilfe der Echokardiographie können folgende Parameter beurteilt werden:

  • Linksventrikuläre Hypertrophie und Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT)
  • Diastolische Funktion
  • Systolische Funktion

Bei schlechter Darstellbarkeit oder bestimmten Fragestellungen kann der Einsatz der Kontrast-Echokardiographie oder der Transösophagealen Echokardiographie (TEE) hilfreich sein.

Als diagnostisches Kriterium einer HCM beim Erwachsenen gilt der Nachweis einer diastolischen Wanddicke > 15 mm in einem oder mehreren Myokardsegmenten des linken Ventrikels, die nicht durch erhöhte Füllungsdrücke erklärt ist. Als Nachweismethode können außer der Echokardiographie auch ein MRT oder CT dienen.

Kardiale Magnetresonanztomographie

Eine kardiale MRT sollte bei Patienten in der initialen Beurteilung erwogen werden. Die Kardio-MRT ist der 2D-Echokardiographie im Nachweis einer apikalen und anterolateralen Hypertrophie sowie von Aneurysmata und Thromben überlegen.

Kardiale Computertomographie

Bei eingeschränkten echokardiographischen Untersuchungsbedingungen und Kontraindikationen für eine MRT-Untersuchung sollte laut Leitlinien eine Kardio-CT erwogen werden.

Linksherzkatheter

Falls die nichtinvasive Diagnostik nicht ausreicht, sollte evtl. eine invasive Diagnostik mittels Linksherzkatheter zur Diagnosefindung erfolgen (Gradienten-Messung).

Genetische Beratung/genetische Untersuchung

Allen Patienten mit HCM, bei denen die Erkrankung nicht allein durch eine nicht-genetische Ursache erklärt werden kann, wird eine genetische Beratung empfohlen. Wo möglich, wird eine genetische Untersuchung empfohlen, um ein Kaskadenscreening von Verwandten zu ermöglichen. Dabei sollten die am häufigsten mit der HCM assoziierten Sarkomerproteine erfasst werden.

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Bildgebung
© wikipedia.org/ Thiene G, Corrado D, Basso C. Arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia. Orphanet J Rare Dis. 2, 45. 2008. doi:10.1186/1750-1172-2-45. PMID 18001465., CC BY 2.0
© CDC/ Dr. Edwin P. Ewing, Jr.
Labor

Die Endomyokardbiopsie ist zwar nicht Teil der Routinediagnostik, sie kann jedoch erwogen werden, wenn zuvor durchgeführte spezialisierte Tests (einschließlich der Biopsie anderer, besser zugänglicher Gewebe) auf die Möglichkeit einer myokardialen Infiltration oder Speicherkrankheit hingewiesen haben.

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Differenzialdiagnostik
  • Sekundäre linksventrikuläre Hypertrophie aufgrund einer Druckbelastung z.B. bei Bluthochdruck oder Aortenstenose.
  • Membranöse oder fibromuskuläre subvalvuläre Aortenstenose (oft mit begleitender Aortenklappeninsuffizienz).
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

HCM-Patienten sollen schwere körperliche Belastungen vermeiden, um die Gefahr eines plötzlichen Herztods zu senken.

  • Gering oder mäßig symptomatische Patienten erhalten einen Betablocker als Basistherapie, insbesondere zur Frequenzreduktion bei diastolischer Dysfunktion. Bei ungenügender Betablocker-Wirkung kommt Verapamil zum Einsatz.
  • Entwickelt sich ein Vorhhofflimmern, erfolgt eine Antikoagulanzientherapie.

 

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Invasive und Interventionelle Therapie
  • Die Implantation eines ICD (Implantable Cardioverter Defibrillator) ist die einzige Maßnahme bei HCM mit nachgewiesener lebensverlängernder Wirkung. Eine prophylaktische Implantation sollte bei Patienten mit bestimmten Risikofaktoren erwogen werden (z.B. maximale linksventrikuläre Wanddicke > 30 mm, ventrikuläre Tachykardien im Langzeit-EKG, rezidivierende Synkopen, plötzliche Herzodesfälle in der Familie).
  • Septumablation: durch Alkoholinstallation in eine proximale Septumarterie wird ein therapeutischer Infarkt des proximalen Kammerseptums induziert (TASH = transkoronare Ablation der Septumhypertrophie). Indikation: Druckgradient > 50 mmHg; als Nebenwirkung kommt es bei einem Teil der Patienten zu einem trifaszikulären Block mit der Notwendigkeit einer Schrittmachertherapie.
  • Septale Myotomie/Myektomie bei Ausflusstraktobstruktion > 50 mmHg und NYHA-Stadium III zur Erweiterung der Ausflussbahn, Reduktion der Obstruktion und zur Verbesserung der Ventrikelrelaxation.
  • Herztransplantation bei Patienten mit dilalativem Verlauf (NYHA-Stadium III und IV).
Prävention

Die kardiovaskuläre Mortalität von Erwachsenen mit HCM beträgt ca. 1 bis 2% pro Jahr. Haupttodesursachen sind der plötzliche Herztod, Herzinsuffizienz und Thromboembolie.

Im Hinblick auf die Prävention des plötzlichen Herztodes empfiehlt die aktuelle Leitlinie Folgendes:

  • HCM-Patienten sollten keinen Wettkampfsport betreiben und intensive körperliche Belastungen meiden.
  • Eine ICD-Implantation sollte bei Patienten erwogen werden, die einen durch Kammerflimmern bedingten plötzlichen Herztod überlebt oder eine spontane anhaltende ventrikuläre Tachykardie mit hämodynamischer Relevanz erlitten haben.
Notfallmanagement

HCM-Patienten können verschiedene Komplikationen entwickeln, die einer entsprechenden Notfallbehandlung bedürfen, z.B. Vorhofflimmern mit der Gefahr der akuten hämodynamischen Dekompensation durch unkontrolliert hohe Ventrikelfrequenzen. Therapie bei akuter Dekompensation: Notfallmäßige Elektrokardioversion.

Leitlinien
  1. Elliott PM et al.:2014 ESC Guidelines on diagnosis and management of hypertrophic cardiomyopathy. European Journal of Heart Failure 2014; 35: 2733-2779
  2. ESC Pocket Guidelines “Diagnose und Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie“, 2015 herausgegeben vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
  3. Herold G et al.: Innere Medizin 2017. Eigenverlag, Köln 2017
  4. Stierle U (Hrsg.): Klinikleitfaden Kardiologie. 6. Aufl., Elsevier, München 2017
  5. Prinz C et al.: Diagnostik und Therapie bei hypertropher Kardiomyopathie. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(13): 209-215
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