Praxiskolumne Bitte mehr Kapazitäten für Kolleginnen und Kollegen!

Kolumnen Autor: Franziska Hegedüs

Wenn die Kommunikation unter den Praxen nicht funktioniert, führt das zu längeren Wartezeiten für Patient:innen. Wenn die Kommunikation unter den Praxen nicht funktioniert, führt das zu längeren Wartezeiten für Patient:innen. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com

Wofür sind wir angetreten? Um Menschen zu helfen.

Wofür sind wir angetreten? Um Menschen zu helfen. Egal, wie müde wir sind, wie unterbezahlt wir uns fühlen,  wie oft wir beschimpft werden: Ursprünglich sollte die Patientin, der Patient im Vordergrund stehen. Dafür brauchen wir ein gutes Netzwerk. Um schnell Antworten auf Fragen zu bekommen oder unsere Schützlinge zeitnah beim Spezialisten unterzubringen.

Ich bin neu in der Region. Aber unterm Strich weiß ich bereits: Hausarztpraxen helfen Hausarztpraxen. Man kennt sich untereinander. Es wird meist am selben Tag auf Anfragen geantwortet. Es gibt Qualitätszirkel zum Austauschen.

Kompliziert wird es, wenn ich eine Fachärztin, einen Facharzt brauche. Die Praxen sind oft überlastet und  überfüllt – da bleibt keine Kapazität für Akutfälle. Die Beispiele der letzten Wochen sprechen für sich: Der gebrochene kleine Finger darf sich auf seinen Termin in der Chirurgie in drei Monaten freuen. Die ganzen Nachsorgen sind wichtiger als die akute Verletzung. Die Dame, die aufgrund ihrer akuten Gelenkbeschwerden nicht mehr laufen kann, landet im Krankenhaus, welches sie dann mit der Empfehlung für ambulante rheumatologische Vorstellung quasi unbehandelt entlässt. Keine einzige rheumatologische Praxis der Region antwortet auf meine Anfragen – faszinierend, wie viele Kommunikationswege wir haben, vom altmodischen Fax bis zum neumodischen KIM, und doch nicht zusammenfinden. Letztlich musste ich die Patientin wieder stationär einweisen. Immerhin fand man später in der Ambulanz meine Anfrage von vor drei Wochen. Und natürlich: Der schwer depressive Patient möge bitte erst seitenweise Fragebogen ausfüllen, bevor er eventuell aufgenommen werden kann.

Man stelle sich vor, meine MFA am Empfang würden sagen: Tut mir leid, für Akutpatienten haben wir heute leider keine Kapazität mehr. Bitte wenden Sie sich an eine andere Hausarztpraxis. 

Noch versuche ich dann, selbst etwas zu retten und behandle erst mal. Ich schreibe die Praxen an, ich telefoniere und fülle Aufnahmebogen aus oder lasse mir etwas Kreatives einfallen. Und wenn dann tatsächlich eine positive Rückmeldung kommt, jubelt nicht nur mein Inneres. 

Es ist mir klar, dass unsere Patientinnen und Patienten sich manchmal nicht so sehr bemühen, selbst Termine zu organisieren. Sie denken, es würde mich nur zwei Minuten kosten, sie in der Facharztpraxis anzumelden. Den Aufwand, der hinter einer psychiatrischen Aufnahme in der Tagesklinik steht, können sie sich nicht vorstellen. Und ein Danke höre ich zunehmend seltener. Ist ja mein Job …

Wahrscheinlich denken viele Ärztinnen und Ärzte, wenn es schlimm wird, geht die Patientin, der Patient ohnehin in die Klinik. Aber wie oft werden die Probleme mit einem stationären Aufenthalt denn wirklich gelöst? In den Empfehlungen der Kliniken steht zu lesen, was alles nicht stationär zu realisieren war und bitte ambulant in der Facharztpraxis geklärt werden sollte. Und die Fachärztinnen und -ärzte beschweren sich, sie würden die Patientinnen und Patienten zu spät sehen – bzw. warum sie diese denn überhaupt sehen müssen, wenn sie doch schon im Krankenhaus waren. 

Ich versuche es also weiter. Weil ich sonst nicht ruhig schlafen kann, weil ich es als meine Pflicht sehe. So wie ich auch außerhalb der Praxiszeiten die Tür aufschließe, wenn jemand akute Luftnot hat, oder trotz Feierabend zum Hausbesuch fahre. Und dabei bin ich noch nicht mal so aufopferungsbereit wie viele andere Hausärztinnen und Hausärzte, die noch über den Gartenzaun für die Dorfnachbarschaft rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Unterm Strich wünsche ich mir ein wenig mehr kollegiale Unterstützung. Unkompliziert, vorurteilslos, ohne große Diskussionen. Denn in einem System, das uns schon genug Steine in den Weg legt, sollten wir es uns gegenseitig ein bisschen leichter machen.