Anzeige

Heilmittelwerbegesetz schränkt Werbung für digitale Versorgungsangebote ein

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Das Urteil des OLG München untersagt im Sinne des HWG § 9 Satz 1 Werbung für die digitale Primärversorgung. Das Urteil des OLG München untersagt im Sinne des HWG § 9 Satz 1 Werbung für die digitale Primärversorgung. © Feodora – stock.adobe.com
Anzeige

Auch wenn von Durchbruch noch keine Rede ist: Die Fernbehandlung ist auf dem Vormarsch. Aber wie darf für telemedizinische Angebote geworben werden? Das Oberlandesgericht München setzt Grenzen.

Eine Krankenkasse hatte auf ihrer Internetseite für einen „digitalen Arztbesuch“ bei Schweizer Ärzten geworben. Die Versicherten sollten mittels einer App Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen erlangen können. Einem Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs stieß das auf, er machte Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Kasse geltend. Zu Recht?

Nach § 9 Satz 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) gilt der Grundsatz, dass eine Werbung für Fernbehandlung verboten ist. Das Verbot soll verhindern, dass grundsätzlich bedenklichen Behandlungsformen, die ohne persönliche Inaugenscheinnahme und Untersuchung des Patienten erfolgen, durch werbliche Anreize Vorschub geleistet wird. Der hinzugefügte Satz 2 des Paragrafen dagegen sieht Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Und zwar dann, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist.

Physische Präsenz des Arztes soll Goldstandard bleiben

Mit der Einschränkung der Werbemöglichkeit für Telemedizin trägt der Gesetzgeber den Vorgaben aus der Ärzteschaft Rechnung, dass die Behandlung unter physischer Präsenz des Arztes Goldstandard bleiben soll. Telemedizinische Primärarztmodelle sollen vermieden werden.

Genau das sei aber im vorliegenden Fall passiert, sagt das Gericht. Denn die Krankenversicherung hatte damit geworben, dass erstmals in Deutschland die komplette ärztliche Versorgung, nämlich „Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibung“, online erfolgen kann. „Alles per App“, so der Slogan der Kasse – den sie seit dem Urteil allerdings weder in der Formulierung noch in der Sache weiter verbreiten darf, da diese Aussage für eine digitale Primärversorgung werben würde. Dass das Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz hat, wirkte sich übrigens nicht auf das Urteil aus.

Das Gericht erklärte weiter: Die Regelung des Paragrafen sei dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Und eine Verletzung der Bestimmung im HWG schade den Interessen des Verbrauchers.

Aber nicht nur das, ergänzt Rechtsanwalt Dirk R. Hartmann aus Wiesbaden: Die Regelung schützt auch Niedergelassene vor großen gewerblichen Anbietern. Sie könnten über diesen Weg raumgreifend werden in der digitalen Primärversorgung und eine unfaire Konkurrenz für Niedergelassene darstellen. Mit der Änderung der Regelungen zur Fernbehandlung ist das Angebot einer digitalen Primärversorgung zwar mittlerweile grundsätzlich zulässig. Aber es darf eben nicht dafür geworben werden.

Für den niedergelassenen Arzt dagegen gilt, dass er grundsätzlich auf seine Videosprechstunde hinweisen darf – sofern er dort Behandlungen anbietet, die im Sinne des HWG keinen direkten Kontakt des Arztes notwendig machen. Für alle anderen Behandlungen gilt weiterhin das Werbeverbot. Dabei ist die Abgrenzung zu zulässiger Information nicht immer einfach. In keinem Fall darf der Arzt jedoch reißerisch oder anpreisend werben. Das verbietet ihm allerdings schon sein Berufsrecht (§ 27 Musterberufsordnung).

Quelle: OLG München, Urteil vom 9.7.2020, Az. 6 U 5180/19

Anzeige