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Praxiskolumne Impfpflicht: Ärger vorprogrammiert

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Praxisinhaber sind die Arbeitgeber und müssen gegebenenfalls das Gesundheitsamt informieren. Praxisinhaber sind die Arbeitgeber und müssen gegebenenfalls das Gesundheitsamt informieren. © MT; absent84 – stock.adobe.com
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Als Impfbefürworter erschien unserem Kolumnisten das Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht zunächst irgendwie trivial. Doch dann hat er sich mehr damit beschäftigt.

Die Aussage des Bundesgesundheitsministeriums „Der Arbeitgeber hat hier keine Verpflichtung zu einer etwaigen Freistellung der ungeimpften Mitarbeitenden“ änderte schlagartig meine Einstellung.

Im Dezember 2021 hat der Bundestag mit dem neuen § 20a des Infektionsschutzgesetzes eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Sie gilt ab März 2022, auch in Arztpraxen.

Die Nachweispflicht für Arbeitnehmende (z.B. MFA) sieht dann so aus:

  • Impfnachweis nach den Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts oder
  • Genesenennachweis nach den Vorgaben des RKI oder
  • ein ärztliches Zeugnis, das bestätigt, dass eine Impfung gegen SARS-CoV-2 nicht möglich ist.

Der Nachweis hat gegenüber dem Arbeitgeber (das sind wir!) zu erfolgen. Die Nachweispflicht gilt ab dem 16. März 2022. Läuft der vorgelegte Nachweis nach dem 16. März ab, ist die MFA verpflichtet, innerhalb eines Monats einen neuen Nachweis vorzulegen.

Geschieht das alles nicht, haben wir das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Es liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die gegebenenfalls ein Bußgeld nach sich zieht. Wir sind zur ausführlichen Prüfung verpflichtet, sollten aber nicht alles dokumentieren, hebelt doch die Meldepflicht den Datenschutz nicht aus. Das heißt: Wir vermerken lediglich, dass ein entsprechender Nachweis erbracht wurde, nicht jedoch, um welche Art von Nachweis (Impf-, Genesenennachweis, ärztliches Zeugnis) es sich handelt. Ein etwaiges Ablaufdatum ist zu vermerken.

O.K., alles vermerkt und gemeldet, das war’s dann? Nein, der Bürokratiehengst wiehert weiter. Wir müssen im nächsten Schritt unterscheiden zwischen Alt-MFA (schon vor dem 16. März 2022 in der Praxis tätig) und Neu-MFA (ab dem 16. März in der Praxis). Neue dürfen ohne Nachweis nicht beschäftigt werden. Ein Verstoß bedeutet sowohl für die MFA als auch für uns ein Bußgeld (§ 73 IfSG).

Die Alt-MFA ohne Nachweis unterliegt allerdings nicht automatisch einem Tätigkeitsverbot. Das Gesundheitsamt muss ein entsprechendes Tätigkeitsverbot aussprechen. Wir können Alt-MFA ohne Nachweis grundsätzlich weiter einsetzen und müssen erst bei entsprechender Anordnung des Gesundheitsamtes handeln. Wir müssen nur die Meldepflicht erfüllen.

Das Gesundheitsamt hat laut Ministerium nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Personalsituation der Einrichtung zu entscheiden, wie viele Mitarbeitende wir in unserer Praxis benötigen. Ein Gesundheitsamt kann das aber gar nicht beurteilen – und selbst wenn: Für diese Prüfung steht nicht ausreichend Personal zur Verfügung, so auch die Aussage von Patrick Larscheid, Amtsarzt im Berliner Bezirk Reinickendorf.

Werden Politiker wie beispielsweise unser Kollege Janosch Dahmen von den Grünen mit diesen Fakten konfrontiert, lautet die Antwort: Der Patientenschutz steht an erster Stelle, tut er das nicht, muss die Politik nachschärfen.

Weiterer Ärger ist vorprogrammiert, wenn die Entscheidung über eine Ausnahmegenehmigung für eine ungeimpfte MFA ansteht. Diese Ausnahmen müssen laut Politik einerseits gut begründet sein und andererseits auch belegen, warum aus der Einzelfallentscheidung keine Gefahr für Dritte entsteht.

So wie es aussieht, werden ab dem 16. März 2022 alle Ungeimpften erst mal weiter arbeiten können. Bestehende Impflücken werden so aber nicht geschlossen und die Entstehung rekombinierter Virusvarianten wird nicht verhindert. Dafür brauchen wir jetzt, im Frühjahr 2022, die Präzisierung des § 20 IfSG, eine Aufgabe aller demokratischer Parteien unabhängig von der Farbenlehre.

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