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Praxiskolumne Urlaub ja, aber bitte mit Vertretung!

Autor: Dr. Frauke Gehring

So richtig gut urlaubt es sich für niedergelassene ÄrztInnen nur, wenn sie sich auf die vertretenden KollegInnen verlassen können. So richtig gut urlaubt es sich für niedergelassene ÄrztInnen nur, wenn sie sich auf die vertretenden KollegInnen verlassen können. © iStock/grivina; MT
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Auch Ärzte brauchen Urlaub. Doch ohne Vertretungsregelung abdüsen sollte man als Niedergelassener nicht. Die Patienten müssen wissen, an wen sie sich während der Abwesenheit ihres Hausarztes wenden müssen. Eine Selbstverständlichkeit, findet unsere Kolumnistin. Das scheinen aber nicht alle Kollegen so zu sehen.

Alle Jahre wieder erleben wir es in der Ferienzeit, dass sich niedergelassene ÄrztInnen in den Urlaub begeben, ohne für Vertretung zu sorgen. Manche machen nicht einmal den Anrufbeantworter an, andere haben immer noch die Chuzpe, alle „anwesenden Ärzte des Ortes“ als Vertreter zu benennen, ohne diese vorher um ihr Einverständnis zu bitten. Dass von den KVen wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass diese Praxis nicht mit dem Kassenarztrecht vereinbar ist, interessiert die Kollegoiden wenig.

In der diesjährigen Osterzeit simste eine von mir sehr geschätzte MFA meines Orthopäden mich an: Sie würde mir gerne „jemanden schicken“. Da meine Praxispartnerin im Urlaub war und ich nicht gerade Langeweile zu beklagen hatte, löste das keine Begeisterungsstürme in mir aus. Aber ich ging davon aus, dass es sich nicht um eine Banalität handelte, also willigte ich ein.

Pünktlich zum Termin tauchte ein sympathischer älterer Herr in Begleitung seiner Frau auf, der einen MRT-Befund seiner Wirbelsäule mitbrachte. Wegen starker Schmerzen hatte der Orthopäde die Untersuchung veranlasst – leider zeigte der Befund metastasentypische Veränderungen. Der Orthopäde hatte die ernste Diagnose schon übermittelt, konnte aber natürlich das weitere Vorgehen nicht planen. „Das machen Sie dann bitte mit Ihrem Hausarzt“, hatte er empfohlen und den Patienten mit Schmerzmitteln versorgt.

Dieser Hausarzt aber war im Urlaub, ein Anrufbeantworter war nicht geschaltet. Acht Praxen hatte der Patient angerufen und um einen Termin gebeten, alle hatten ihn abgewiesen: keine Zeit. In seiner Not hatte er sich dann wieder an den Orthopäden gewandt, und dessen gutherzige MFA hatte mich eingeschaltet. Unser Gespräch dauerte vielleicht eine Viertelstunde plus zwei Minuten, in denen ich für ihn einen Termin beim Urologen für den nächsten Tag und einen Ultraschalltermin bei mir vereinbarte. Es ging dem Patienten bis auf die Schmerzen wirklich gut, so dass unklar war, was die Metastasen in seine LWS gestreut hatte. 

Für diese 17 Minuten habe ich so viel Dankbarkeit geerntet, dass es mir schon peinlich war. Ja, ich musste danach ein bisschen mehr Gas geben, aber so what: War dies nicht ein extrem wichtiger Termin? Dafür kann man doch mal ein bisschen schneller durch die Praxis spurten oder später nach Hause gehen. 

Ja, wir sind alle durch Corona überlastet und ­genervt, aber es kann doch nicht sein, dass man mit so einer Diagnose als Patient überall abgewimmelt wird! Ich selber hatte auch erst zwei Tage Urlaub in diesem Jahr und war obendrein an COVID-19 erkrankt, und unsere MFA leisten schon seit Monaten Übermenschliches. Aber unser Herz sollten wir trotzdem behalten!

Im Nachgang stellte sich übrigens heraus, dass es zu der Zeit tatsächlich zwei Vertretungspraxen gegeben hatte, aber leider vergessen worden war, den Anrufbeantworter anzuschalten. Dass auch in diesen Praxen angerufen und wegen Überlastung kein Termin angeboten worden war (darf man das eigentlich, wenn man offizielle Vertreterin ist?), ist eine traurige Wahrheit. An diesem Tag sah ich noch einen jungen Mann, dessen abwesender Hausarzt keinen Vertreter angegeben und der ein knappes Dutzend Praxen vergeblich angefragt hatte. Darum nochmal mein Appell an meine niedergelassenen KollegInnen: Sucht Euch Vertretende, wenn Ihr Urlaub machen wollt. Und wenn Ihr selbst vertretet, wimmelt die Leute nicht ab. Gerade in diesen anstrengenden Zeiten sollten wir fest zusammenstehen, statt unsere PatientInnen im Stich zu lassen. 

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