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Praxiskolumne Wir wollen Tinder für die Weiterbildung

Autor: Dr. Nicolas Kahl

Weiterbildungen werden bis heute hauptsächlich inoffiziell bewertet. Weiterbildungen werden bis heute hauptsächlich inoffiziell bewertet. © REDPIXEL – stock.adobe.com; MTD
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Vor Kurzem hat mich eine befreundete Kinderäztin angesprochen, die sich im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte für eine Verbesserung der Weiterbildung einsetzt. Sie wollte von mir wissen, wie wir Hausärzt:innen den Ärzt:innen in Weiterbildung die verschiedenen Weiterbildungsstellen und Weiterbildenden online präsentieren, damit sich die jungen Kolleg:innen orientieren können, wo sie ihre Weiterbildung fortsetzen möchten.

Die Antwort ist erschreckend: Die meisten Empfehlungen für diesen Teil der Ausbildung erfolgen weiterhin per Mundpropaganda oder in inoffiziellen Foren von sozialen Medien wie WhatsApp oder Facebook.

Aber darf das noch sein? In Zeiten, in denen jede noch so kleine Fortbildung über eingewachsene Zehennägel mit Feedback-Bogen evaluiert wird, lassen wir die jungen Ärzt:innen weiterhin im Dunkeln in welche Klinik oder Praxis empfehlenswert oder verbesserungswürdig ist. 

Gerade für die ambulante Weiterbildung in der Allgemeinmedizin wird auch viel Geld der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen für die Förderung der Weiterbildung ausgegeben. Außer einer Selbsterklärung der Weiterbilder über die angebotenen Lerninhalte findet jedoch keine Evaluation oder Bewertung statt.

Das muss sich ändern! Warum geben die Landesärztekammern nicht für jeden abgeschlossenen Weiterbildungsabschnitt einen Pin-Code aus, mit dem die ÄIW ihre Weiterbildungsstellen verifiziert in der Rückschau bewerten können? Es gibt sowohl in den Kliniken als auch in den Praxen Punkte, die wunderbar offen liegen und bewertet werden können. Gab es Rotationen in die Funktionsabteilungen? Wie lange waren Sie in der Ultraschallabteilung eingesetzt? Wie bewerten Sie die Betreuung durch Ihren Weiterbilder auf einer Skala von 1-6? Würden Sie Ihre Weiterbildungsstelle weiterempfehlen? Und so weiter.

Aspekte wie diese sollten transparent gemacht werden, damit die Qualität in der Ausbildung der Ärzt:innen verbessert wird, und auch, damit die sinnvolle Ressourcennutzung der Fördergelder belegt wird. Im Gespräch mit Kolleg:innen zeichnet sich nämlich durchaus ab, dass es sehr motivierte Weiterbildende gibt, die den Kolleg:innen eine gute und strukturierte Weiterbildung bieten wollen und hierfür viel Schweiß und Arbeit investieren. 

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Weiterbildungsstellen in denen – mal positiv formuliert– ein sehr „freies Arbeiten“ in MVZ-Filialen ermöglicht wird, was vielleicht nicht für jede:r ÄiW genau das ist, was er/sie sucht.

Ich wünsche mir von den Ärztekammern daher eine Art „Weiterbildungs-Tinder“. Den Kolleg:innen sollte auf einer Plattform oder in einer App in Kurzform transparent dargestellt werden, welche Weiterbildungsinhalte eine Stelle bietet, welche räumliche und personelle Ausstattung vorhanden ist, welche Patientengruppen behandelt werden und wie andere junge Ärzt:innen die Stelle zum Beispiel in einem 5-Sterne-Rating-System bewertet haben. Dann könnten sich die jungen Kolleg:innen durch das regionale Weiterbildungsangebot swipen und ihre Weiterbildung nach Qualität organisieren. 

Ich bin überzeugt, dass wir so auch mehr motivierte Ärzt:innen für die Allgemeinmedizin gewinnen können: Wenn wir transparent machen, wie viel zufriedener man in der Praxis als im Krankenhaus arbeiten kann, wo eine strukturierte Weiterbildung immer mehr der Maximierung des Patient:innendurchsatzes weichen muss.

Nachdem ich der Kollegin also leider keine bessere Antwort als diese zum Ist-Zustand geben konnte, werde ich jetzt umso interessierter verfolgen, wie die Kinderärzt:innen ihr Weiterbildungsangebot präsentieren werden.

Dr. Nicolas Kahl

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