Änderung der Lebensgewohnheiten kann sehr viele Darmkrebsfälle verhindern

Yvonne Emard

Der Experte appellierte an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung der körperlichen Aktivität Betroffenen zu vermitteln. Der Experte appellierte an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung der körperlichen Aktivität Betroffenen zu vermitteln. © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Darmkrebs gehört zu den am besten vermeidbaren Malignomen – vorausgesetzt, die Faktoren Körpergewicht, Ernährung­ und Bewegung werden ausreichend beachtet. Der präventive Effekt von Mikronährstoffen ist dagegen enttäuschend.

Zentrale Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht und ungünstige Ernährung gelten als Treiber des kolorektalen Karzinoms. Eine besondere Rolle spielt laut aktuellen Analysen des Deutschen Krebsforschungszentrums das Körperfett. „Wir schätzen, dass Adipositas etwa 15 bis 20 % des Darmkrebsrisikos ausmacht“, sagte Prof. Dr. Hans Hauner von der Technischen Universität München. Auch das Gewicht in jüngeren Jahren zeige deutliche Zusammenhänge mit der Darmkrebsgefahr. Wie eine Studie verdeutlicht, erhöht Adipositas im Jugendalter das Risiko noch Jahrzehnte später – und zwar selbst dann, wenn die Personen zwischenzeitlich abgenommen haben.

Ungefähr zwei Drittel aller Darmkrebsfälle könnten durch die empfohlene Ernährungsweise verhindert werden, so der Referent. Das ist keine neue Erkenntnis, aber eine, die bis heute nicht ausreichend adressiert wird: Es fehle noch immer an flächendeckender Implementierung dieses Wissens in Öffentlichkeit und Gesundheitssystem, kritisierte der Ernährungsmediziner.

Pflanzlich betonte Kost rückt stärker in den Mittelpunkt

Eine wirksame präventive Maßnahme sind Ballaststoffe. Laut Prof. Hauner liegt die durchschnittliche Zufuhr hierzulande bei bestenfalls 20 g Ballaststoffe pro Tag – 30 bis 40 g wären laut einer Studie sinnvoll. „10 g mehr pro Tag reduzieren das Risiko um rund 10 %“, stellte der Kollege klar. Gleichzeitig sei der übermäßige Konsum von rotem Fleisch und insbesondere von verarbeiteten Wurstwaren problematisch: „50 g am Tag bedeuten etwa 18 % mehr Risiko.“ Milchprodukte hingegen wirken tendenziell protektiv.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rückt in ihren aktualisierten Empfehlungen die pflanzlich betonte Kost stärker in den Mittelpunkt. Hülsenfrüchte, Gemüse, Vollkornprodukte und Nüsse sollen Fleisch und stark verarbeiteten Produkten häufiger den Platz auf dem Teller streitig machen. Der Trend zum Flexitarismus – also gelegentlicher Verzicht auf tierische Produkte – sei aus Sicht der Prävention daher sehr empfehlenswert.
Patientinnen und Patienten sollte empfohlen werden, ihre Ernährungsgewohnheiten kritisch zu hinterfragen. Dies kann auch in Form einer strukturierten  Ernährungsberatung erfolgen, die von den Kassen bezuschusst wird, wenn Ärztinnen und Ärzte eine Notwendigkeitsbescheinigung ausstellen. Bei sehr starkem Übergewicht sollte man Medikamente oder chirurgische Optionen ins Auge fassen.

Was die hohen Erwartungen an Mikronährstoffsupplemente anbelangt, so könne es die ein oder andere Enttäuschung geben, sagte Prof. Dr. Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Jena vor. „In einer gesunden, ausgewogenen Ernährung ist so viel drin, das kriegt man nicht in eine Tablette rein.“ Kohortenstudien zeigen zum Beispiel: Nur Folsäure aus natürlicher Nahrung schützt vor Darmkrebs, entsprechende Supplemente bleiben wirkungslos.

Zudem warnte die Kollegin vor der in der Bevölkerung verbreiteten Meinung „Viel hilft viel“. Nicht nur ein Mangel, sondern auch eine Überversorgung mit bestimmten Nährstoffen kann das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko erhöhen. In der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ werden die Spiegelbestimmungen von Selen, Vitaminen D und B12 empfohlen, wenn Supplemente diese Bestandteile enthalten. Eine pauschale Supplementierung könne im schlimmsten Fall schädlich sein, betonte Prof. Hübner. „Ernährung vor Ersatz“ lautet das Gebot, am besten mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln.

Zu einer der wirksamsten Maßnahmen mit hoher Evidenz zur Senkung des Darmkrebsrisikos zählt körperliche Aktivität. Und nicht nur das: Bei Erkrankten beeinflusst regelmäßige Bewegung vor der Diagnose die tumorspezifische Sterblichkeit positiv, sagte Prof. Dr. Martin Halle von der Technischen Universität München. Auch nach der Diagnose sei der Nutzen erheblich. In einer Studie mit betroffenen Frauen sank die Mortalität bei den aktiveren – damit waren mindestens vier Stunden zügiges Spazierengehen pro Woche gemeint – im Vergleich zu den Inaktiven um bis zu 50 %.

Die Effekte von Bewegung sind unabhängig von Geschlecht, Alter, BMI oder Chemotherapie. Mit Blick auf das Tumorstadium scheinen es vor allem Darmkrebserkrankte in den Stadien 2 und 3 zu sein, die einen Nutzen in Form einer größeren Überlebenswahrscheinlichkeit ziehen. Die Empfehlungen beschränken sich dabei nicht nur auf Ausdauertraining. Auch Krafttraining und eine gezielte Kombination beider Formen verbessern u. a. Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Fatigue während der Antitumortherapie.

Prof. Halle berichtete über den eindrucksvollen Genesungsweg eines Patienten mit Rektumkarzinom, der trotz Chemo- und Strahlentherapie täglich ca. 40 km mit dem Fahrrad zur Behandlung fuhr – ohne Leistungsverlust. Für den Referenten belegt dies: Bewegung ist Therapie und gehört ins onkologische Behandlungskonzept.

Der Experte appellierte an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung der körperlichen Aktivität Betroffenen zu vermitteln. Er selbst stellt in manchen Fällen ein symbolisches Rezept für Bewegung im Alltag aus mit konkreten Angaben zur empfohlenen Sportart, Dauer und Häufigkeit je nach Präferenz der Patientinnen und Patienten.

Quelle: „Primärprävention des kolorektalen Karzinoms“, 26.02.2025, streamed-up.com

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Der Experte appellierte an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung der körperlichen Aktivität Betroffenen zu vermitteln. Der Experte appellierte an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Bedeutung der körperlichen Aktivität Betroffenen zu vermitteln. © peterschreiber.media – stock.adobe.com