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Bei Bonbon-Notfall helfen Rückenschläge und Kaffeelöffel

Autor: Dr. Carola Gessner

Wenn sich ein Kind an einem Bonbon verschluckt hat, ist schnelles Handeln wichtig. Wenn sich ein Kind an einem Bonbon verschluckt hat, ist schnelles Handeln wichtig. © iStock/RuthBlack
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Direkt vom Spielplatz bekommen Sie ein Kind mit Stridor in die Praxis gebracht: "Bonbon verschluckt". Sie reagieren blitzschnell, schlagen dem kleinen Felix kräftig auf den Rücken, der Fremdkörper kommt Ihnen entgegen. Alle sind froh, Mutter und Kind möchten nach Hause. Dürfen sie?

Kind mit akuter Atemnot nach Fremdkörperaspiration – das ist wohl einer der heikelsten Notfälle, die Ihnen in der Praxis begegnen können. Mögliche respiratorische Befunde sind:

  • inspiratorischer Stridor
  • Schaukelatmung
  • hohe Atemfrequenz (> 40/min)
  • Zyanose

In einer solchen lebensbedrohlichen Situation lassen Sie zuerst den Notarzt alarmieren und Sie versuchen dann unverzüglich, die "fehlgeleitete Süßigkeit" zu entfernen, unterstrich Dr. Maximilian von Au von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Dazu bringen Sie das Kind in eine Kopftieflage und verabreichen ihm dann fünf feste Schläge mit der flachen Hand auf den Rücken. Falls Sie beim Inspizieren der Mundhöhle ein sichtbares Aspirat ausmachen, können Sie versuchen, es manuell zu entfernen. Doch dazu haben Sie nur einen Versuch frei, unterstrich der Notfallmediziner.

Runder Quarz brachte Säugling in Lebensgefahr

Bei der Atemwegsbefreiung hilft womöglich die Magillzange, mit der Sie auch tiefergelegene Fremdkörper fassen können. "Oder man benutzt einen langstieligen Kaffeelöffel", ergänzte eine Kollegin aus dem Auditorium. Sie schilderte eine Situation, in der einem Säugling ein runder Quarz im Hals stecken geblieben war: Mangels Magillzange hatte sie in diesem Notfall beherzt zu dem Löffel ihres Capuccinos gegriffen und damit dem Kind das Leben gerettet.

"Und was halten Sie von dem Heimlich-Manöver?", wollte ein Kollege wissen. Erlaubt ist dieses bei Kindern über einem Jahr, so die Antwort des Referenten, aber man nimmt dabei ein hohes Risiko von Organschäden in Kauf. "Mit Kopftieflage und Rückenschlägen erzielen Sie zudem eine höhere Erfolgsrate", fügte Dr. von Au hinzu. Insgesamt hängt das Vorgehen bei Fremdkörperaspiration maßgeblich davon ab, ob das Kind zum effektiven Husten in der Lage ist oder nicht (s. Tabelle).

Fremdkörperaspiration: Kann der Patient sich selbst befreien?
Einschätzung und Konsequenzen für das weitere Handeln
Ineffektives Husten
Hilferuf!
effektives Husten
bewusstlos
  • Atemwege öffnen
  • 5 Beatmungen
  • HLW 15:2
bei Bewusstsein
  • 5 Rückenschläge
  • 5 Thoraxkompressionen (nur Säugling)
  • 5 Oberbauchkompressionen (Kind > 1 Jahre)
  • zum Husten ermutigen
  • kontinuierliches Beobachten der klinischen Situation


Zurück zum eingangs geschilderten Fall: Schon nach dem zweiten Schlag auf den Rücken des Zweijährigen fliegt Ihnen das Bonbon entgegen, die Zyanose geht zurück und die Situation entspannt sich. Der kleine Felix hat sich nach dem ersten Schreck über Luftnot und Schläge beruhigt und spielt nun fröhlich mit Ihrem Stethoskop. Seine Sauerstoffsättigung beträgt 100 %, die Atemfrequenz 22/min. Herzfrequenz (110/min) und Blutdruck (90/50 mmHg) sind ebenfalls in Ordnung.

 

Heroisch: Fremdkörper mit Tubus tiefer schieben

Was tun Sie nun – den Notarzt abbestellen und Mutter und Kind nach Hause entlassen? "Keinesfalls!", mahnte der Anästhesist. Dieses Kind hatte einen Fremdkörper im Rachen stecken, es besteht die Gefahr der sekundären Atemwegsschwellung. "Man könnte der Mutter raten, ihrem Felix ein Eis zu kaufen und es zu Hause sorgfältig zu überwachen", lautete ein Vorschlag eines Seminarteilnehmers – dies konnte Dr. von Au aber nicht überzeugen.

Wie der Referent nachdrücklich betonte, gehört das Kind – zur Sicherheit – ins Krankenhaus. Sollte sich dort beim Monitoring kein Anhalt für eine sekundäre Atemwegs­verlegung ergeben, kann der kleine Patient zeitnah entlassen werden.

Und was bleibt zu tun, wenn in einem Notfall "der Albtraum wahr wird" und die Fremdkörperentfernung misslingt? Dann bleiben nur heroische Maßnahmen, so die Antwort. Dazu zählen die Intubation mit dem Versuch, den Fremdkörper in einen Hauptbronchus zu schieben, oder – als Ultima Ratio – die Koniotomie.

Quelle: 23. Heidelberger Tag der Allgemeinmedizin