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Gleiche Medikation, andere Dosis Feminine Herzinsuffizienztherapie

Autor: Manuela Arand

Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems und Betablocker erzielten bei Frauen bereits mit 50 % der für Männer nötigen Zieldosis die optimale Wirkung. Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems und Betablocker erzielten bei Frauen bereits mit 50 % der für Männer nötigen Zieldosis die optimale Wirkung. © Science Photo Library/Gustoimages
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Grundsätzlich wirken die Therapeutika für die Herzinsuffizienz bei Frauen ähnlich wie bei Männern. Doch es gibt ein paar Dinge zu beachten.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern beginnen bereits in der Pharmakokinetik. So läuft der intes­tinale Transit bei Frauen langsamer, was mehr Zeit zur Resorption lässt. Auch transdermal nehmen sie mehr Arzneimittel auf. Wirkstoffe verteilen sich unterschiedlich, weil Frauen mehr Körperfett, aber weniger Körpergesamtwasser aufweisen, solange sie nicht schwanger sind. Daneben spielt das Geschlecht eine Rolle für Proteinbindung (bei Frauen geringer), Blutfluss, Metabolismus und Elimination von Pharmaka. „All das legt nahe, dass Unterschiede in der Reaktion auf Herzinsuffizienzmedikamente bestehen“, sagte Prof. Dr. ­Adriaan ­Voors, Universität Groningen. 

Tatsächlich erzeugen die Betablocker Metoprolol und Propranolol bei Frauen aufgrund verstärkter Aufnahme, geringerem Verteilungsvolumen und langsamerer hepatischer Clearance höhere Peak- und kumulative Gesamtkonzentrationen. Das schlägt sich in einer stärkeren Senkung von Herzfrequenz und systolischem Blutdruck bei Belastung nieder. 

Zieldosen für die Geschlechter besser unterscheiden

Was die Substanzklassen angeht, braucht man keine geschlechtsadaptierte Therapie. „Wir müssen Frauen mit Herzinsuffizienz dieselben Medikamente geben wie Männern“, so der Kardiologe. In der Praxis geschieht das offenbar bereits: Eine Auswertung von rund 8.000 Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) eines niederländischen Registers zeigte für einzelne Wirkstoffklassen geringfügige Unterschiede bei den Verordnungen. Diese erreichen zwar wegen der großen Patientenzahl Signifikanz, dürften aber klinisch kaum relevant sein. 

Relevant scheint aber das Thema Dosierung. In den großen Studien zum Thema Herzinsuffizienz zeigen sich hinsichtlich der Endpunkte keine wesentlichen Abweichungen zwischen den Geschlechtern, Frauen erreichen durch alle Wirkstoffgruppen ebenso oft die Zieldosen. Eine entscheidende Frage ist jedoch, ob die optimale Zieldosis für beide Geschlechter überhaupt identisch sein sollte. In den großen Studien wird diesbezüglich bislang kein Unterschied gemacht. Post-hoc-Analysen zeigen, dass das vermutlich ein Fehler ist. Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems und Betablocker erzielten bei Frauen bereits mit 50 % der für Männer nötigen Zieldosis die optimale Wirkung. Auch ältere Studien mit ACE- und AT1-Hemmern ergaben, dass nur Männer von höheren Dosen profitieren. „Das Bild ist sehr konsistent, dass Frauen die maximale Response bei niedrigeren Dosen zeigen“, sagte der Kardiologe. Ob ihnen höhere Dosen schaden, lässt sich aktuell nicht beantworten, da kaum eine Studie die Nebenwirkungen nach Geschlechtern getrennt ausweist. Einzelne Studien dokumentierten lediglich, dass Frauen unter ACE-Hemmern häufiger husten, was aber auch in den Placebogruppen der Fall war.

Die optimale Herzinsuffizienz­therapie für Frauen und Männer unterscheidet sich also wohl nur durch die Dosierung, was man berücksichtigen sollte, um Frauen unnötig hohe Dosen zu ersparen. Bei einem Medikament ist allerdings Vorsicht geboten, mahnte Prof. Voors. Schon vor 20 Jahren hat eine Analyse gezeigt, dass Frauen unter Digoxin (vs. Placebo) ein signifikant höheres Sterberisiko haben.

Kongressbericht: ESC* Congress 2022

*    European Society of Cardiology