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Frühreha im Intensivbett Hinsichtlich Muskelerhalt und Lebensqualität zählt jeder Tag

DGP-Kongress 2024 Autor: Friederike Klein

Je früher die Reha beginnt, desto besser. Je früher die Reha beginnt, desto besser. © contrastwerkstatt – stock.adobe.com
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Werden Patienten bereits in den ersten 72 Stunden nach Ankunft auf der Intensivstation mobilisiert, hat das für sie enorme Vorteile. Doch viele Ärzte sind zurückhaltend – zu Unrecht, wie Studiendaten zeigen.

Eine möglichst frühzeitige Rehabilitation noch im Krankenhaus kann Patienten vor anhaltenden funktionellen Beschwerden und Muskelschwäche bewahren. Kombiniert mit einer Ernährungstherapie ist sie noch effektiver, berichtete PD Dr. Tobias Böselt von der pneumologischen Universitätsklinik Marburg. Offensichtlich zählt jeder Tag, denn die Muskeln schmelzen durch die Immobilisation auf der Intensivstation nur so dahin. Studiendaten belegen bereits in der ersten Woche eine tägliche Abnahme der Muskelmasse um zwei Prozent. Kein Wunder, dass Patienten nach einem Aufenthalt auf Intensiv noch bis zu ein Jahr lang Muskelatrophie, Belastungsintoleranz und eine verminderte Lebensqualität zeigen. Nur jeder zweite kehrt nach einem Jahr zurück an den Arbeitsplatz.

Für das Langzeitergebnis zählt jeder Tag. Einer retrospektiven Kohortenstudie zufolge verkürzte sich nicht nur der Aufenthalt im Krankenhaus, wenn die Frühreha auf der Intensivstation innerhalb von drei Tagen begann. Die Rate der Rehospitalisierungen verringerte sich durch den frühen Start der Maßnahme um 10 % – im Vergleich zu einem Rehabeginn nach vier oder mehr Tagen. Belegt sind außerdem kürzere Sedierungszeiten und weniger Tage mit Beatmungspflicht. Die Vorteile einer sehr frühen Reha spiegeln sich auch in der Zahl der Arztkontakte nach der Entlassung wider: Frühzeitig mobilisierte Patienten statteten ihrem Hausarzt deutlich weniger Besuche ab, berichtete Dr. Böselt. 

Wichtig bei der Frühreha ist eine adäquate Belastung und Frequenz. Sogar beatmete, moderat sedierte Patienten lassen sich in den Stand mobilisieren – allerdings ist der Aufwand bei ihnen erheblich. Auf der Intensivstation wesentlich etablierter ist das Training mit einem Bett- oder Sitzfahrrad für Hände bzw. Füße. Versetzt man Patienten während der Übungen über eine Virtual-Reality-Brille in eine schöne Landschaft, verlieren sie oftmals das Empfinden passiv, ausgeliefert und eingesperrt zu sein. Viele entwickeln geradezu Glücksgefühle. „Das muss man einfach implementieren“, riet Dr. Böselt begeistert. Man könne natürlich nicht alle Möglichkeiten der Frühreha gleichzeitig etablieren, aber man sollte ein Konzept haben, empfahl er.

Besonders bewährt hat sich in seiner Abteilung das Ganzkörpertraining mit einer Vibrationsplatte, die auch bei leicht gekippter Position des Intensivbetts eingesetzt werden kann. Die Sicherheit dieser Form der Frührehabilitation konnte bereits in einer Studie belegt werden. Dr. Böselt nannte nun erste Ergebnisse zur Wirksamkeit. Demnach hat bereits ein zweimal täglich absolviertes Training bei 20–30 Hz (drei Mal drei Minuten) deutliche Effekte. Es führte im Vergleich zu Patienten ohne Frühreha nicht nur zu einer messbaren Abnahme inflammatorischer Zytokine wie TNF-alpha und IL-6, sondern trug auch zum Erhalt der Muskelmasse bei und wirkte der Muskelsteifigkeit entgegen.

Quelle: 64. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin)